Erinnerungen an Joseph Merbeler
(25. Oktober 1922 bis 10. Oktober 2018)
Abbildung 1 (oben): Joseph Merbeler auf einem Foto von 1991.
Am 10. Oktober 2018 verstarb Joseph Merbeler im Alter von 95 Jahren.
Er hatte ein erfülltes Leben gehabt, gewiss nicht leicht und problemlos – er musste harte Schicksalsschläge ertragen. Seine Ehefrau Frieda verstarb früh und musste ihn allein lassen mit vier Kindern. Auch die Tochter Maria starb in nach heutigen Begriffen jungen Jahren.
Er war und blieb trotzdem ein ausgeglichener und freundlicher Mensch, bedachtsam bei allem, was er sagte und tat, voller Güte und guten Willens, rundum interessiert. Es war eine Freude, mit ihm zusammen zu sein und seinen Erzählungen zuzuhören und mit ihm zu diskutieren.
Er wurde zwar geboren in Dernau an der Ahr, kam aber schon im Alter von wenigen Wochen mit seinen Eltern ins Allgäu und blieb sein Leben lang dort, von beruflichen Fahrten her abgesehen. Er fühlte sich als "Allgäuer" und er war ein Allgäuer. Er wohnte den größten Teil seiner Zeit in Sonthofen, am Rande der geliebten Allgäuer Berge.
Abbildungen 2 bis 4 (oben): Joseph war immer neugierig und probierte alles aus, was neu und unbekannt war. Zwar kannte er Austern nicht nur als Fossilien, sondern auch als Speise, aber er war jedenfalls einer der ganz wenigen bei der Südfrankreich-Exkursion im Frühjahr 1979, die an der Austern-Dégustation in Mèze teilnahmen. Man beachte: Joseph noch ohne Bart! Auf dem rechten Bild und unten sieht man Joseph im Gelände (beide Bilder 1991); rechts im Steinbruch „An der Schanz“ bei Burgberg.
Abbildung 5 (oben): Joseph bei einer von ihm geführten Exkursion im Jahr 1993.
Wir hatten glücklicherweise relativ oft Gelegenheit, ihn zu sehen. Wir besuchten ihn in Sonthofen, er uns in Augsburg, er führte die Augsburger Fossilienfreunde bei Exkursionen, einmal auch eine mehrtägige Allgäu-Exkursion für Kosmos-Reisen. Bei anderen Exkursionen war er ein geschätzter Reisegast. Er begleitete uns bei vielen Richter-Reisen, nach Südfrankreich, ins Pariser Becken, in die Haute Provence, nach Italien und Spanien. Er nahm an vier „Fossilien-Seminaren“ teil, beim Seminar 1989 wirkte er als Dozent mit.
Keine Reise und kein Seminar, bei der er nicht sein eigenes Wissen einbringen und mit Erläuterungen und Klärungen helfen konnte!
Abbildungen 6 und 7 (oben): Zu Hause vor zwei seiner Sammlungs-Vitrinen. Natürlich hatte er auch im landläufigen Sinn „spektakuläre“ Fossilien wie z.B. den Riesen-Seeigel Conoclypus conoideus aus St. Pankraz, den größten Teil seiner Sammlung aber machten die Anschliffe und Dünnschliffe aus, die er meisterhaft interpretieren konnte.
Abbildung 8 (oben): In einer anderen Vitrine bewahrte er u.a. seine rezenten (meist selbst gesammelten) Vergleichsstücke auf. Stücke von gleichen Fundorten oder aus einer gleichen Organismen-Gruppe bewahrte er gerne zusammenfassend in großen Jousi-Kästen auf.
Saß man mit ihm zusammen, dann gab es immer interessante Unterhaltungen. Er erzählte von Beobachtungen, Erlebnissen, Erkenntnissen, und da er viel gesehen und erlebt hatte, konnte er auf einen großen Wissens- und Erfahrungs-Schatz zurückgreifen. Aber Joseph konnte auch zuhören, wobei er bei fachlichen Gesprächen durchaus kritisch sein konnte.
Abbildung 9 (oben): Eine von Joseph gefertigte Kugel aus einem Kalk mit Groß-Onkoiden; Durchmesser ca. 6 Zentimeter. Die Technik der Kugel-Herstellung hatte er bei Josef Rütsche bei einem der Fossilien-Seminare kennen gelernt.
Sein Steckenpferd waren die Erdwissenschaften gewesen, also Geologie und Fossilien, aber auch ganz allgemein die Natur und die Berge. Er beschäftigte sich sein Leben lang damit, versuchte soviel wie möglich zu lernen, vertiefte sein Wissen ständig. Joseph hatte sich über die Zeit hinweg ein umfassendes Wissen über Geologie und Paläontologie angeeignet mit Betonung auf seine Heimat, das Allgäu.
Auch Familienurlaube z.B. an die jugoslawische Adria wurden genutzt, um Naturbeobachtungen durchzuführen und Vergleichsbelege zu sammeln.
Draußen im Gelände, beim Beobachten und Sammeln, halfen ihm sein wacher Sinn und die Fähigkeit, auch im Unscheinbaren das Besondere zu erkennen. Seine handwerklichen Fähigkeiten und sein punktgenaues Arbeiten ermöglichten ihm die Schaffung besonders interessanter und wertvoller Präparate. Flachschliffe gehören natürlich auch dazu, aber die Anfertigung solcher Schliffe ist relativ einfach. Aber er fertigte dann aus den unpolierten Flachschliffen auch Folien-Abzüge an und schließlich – und darin war er ein wahrer Meister! – auch Dünnschliffe.
Abbildung 10 (oben): Hier ein Blick auf die Dünnschliff-Sammlung. Alle Präparate wurden im Format 5 x 5 Zentimeter angelegt, also in der gängigen Diapositiv-Größe, weshalb sie optimal in Dia-Aufbewahrungs-Kästen untergebracht werden konnten.
Foto Josef Merbeler 1991.
Abbildung 11 (oben): Einige Dünnschliffe, die mir Joseph freundlicherweise überließ. Sie sind wie es bei Joseph anders nicht denkbar ist sauber beschriftet; weitere Angaben sind auf Karteikarten vermerkt.
Abbildung 12 (oben): Dünnschliffe median und quer durch Nummuliten der Art Nummulites laevigatus. Joseph gelang es, den Median-Schliff so anzulegen, dass er im Bereich des Proloculus liegt – und das ist eine wahre Kunst!
Abbildung 13 (oben): Joseph gab sein Wissen gerne weiter, erfreulicherweise auch in schriftlicher Form wie hier in einer ausgezeichneten Arbeit über die Anfertigung von Anschliff, Dünnschliff und Folien-Abzug (Fossilien 1984).
Abbildung 14 (oben): Qualitäts-Kontrolle beim Dünnschliff-Kurs des Fossilien-Seminars: Kritischer Blick durch den Dünnschliff eines der Seminar-Teilnehmer; erfahrungsgemäß war der Kommentar „Zu dick!“. Berching im August 1989.
Beim „Fossilien-Seminar“ in Berching 1989 lehrte er Schnitt, Schliff und Politur, die Herstellung von Folien-Abzügen und vor allem die Anfertigung von Dünnschliffen. Ich denke zurück an seine Kontrollen: Der Dünnschliff wurde mit dem Messschieber auf gleichmäßige Dicke geprüft, in späteren Stadien auch durch „Durchschauen gegen das Licht“ überprüft. Und da hörten wir Schüler meist „Zu dick!“, nach dem nächsten Durchgang wieder „Zu dick“, noch einmal „Zu dick“, dann aber: „Zu dünn!!!!“ oder auch „Durchgeschliffen…“. Na ja, Dünnschliffe sind nicht einfach herzustellen. Er konnte es meisterhaft.
Abbildung 15 (oben): Eines der eher seltenen Bilder, die Joseph ohne Brille zeigen, fotografiert bei uns Richters bei einem Besuch im Jahr 1982.
Abbildung 16 (oben): Sepp im Kreise der Exkursions-Teilnehmer bei der mittäglichen Brotzeit im Biergarten in Kalchreuth. Das war bei einer Exkursion im Rahmen des Fossilien-Seminars 1991.
Abbildung 17 (oben): Joseph bei einem Besuch im März 1993 bei uns Richters. Wie so oft trägt er seinen „Nummuliten-Kalk am Bändel“, natürlich selbst gefunden, geschliffen und poliert.
Gabo nannte Joseph scherzhaft „Den Mann, der die Allgäuer Berge in Scheiben schneidet“. In der Tat war ihm die lehrreiche, „aufschlussreiche“ Seite seiner Sammlungsstücke immer wichtiger als die reine Optik, die „Schau“. Wohl freute er sich auch an ganz allgemein schönen Belegstücken, besonders wichtig aber waren ihm die Aussagen der Gesteine und Fossilien, die Deutungen zu Entstehung, Ablagerung, dem Leben der heutigen Fossilien und zur Fossilisation.
Abbildung 18 (oben): Kugelzähne aus dem Schrattenkalk (Unterkreide; Oberbarrême/Unterapt) des Gottesacker-Plateaus (Ifengebiet, Allgäuer Alpen). Sie gehören vermutlich weitgehend zu Fischen der Gattung Pycnodus. Alle sind sauber formatisiert, beschriftet und dann zusammenfassend in ein Kästchen montiert. Optimale Aufbewahrung!
Joseph vermittelte mir im Verlaufe der Jahre viele Kenntnisse und überließ mir auch schöne Belegstücke, meistens Schliffe, alle in einer Art und Weise bearbeitet, die typisch war für ihn: Optimale Auswahl des Rohmaterials, handwerklich gekonnte Bearbeitung durch Formatierung, Schliff und Politur, exakte Beschriftung auf den Objekten und wenn nötig auf beiliegenden Etiketten.
Abbildung 19 (oben): Ein Karton mit einem Teil der in meiner Sammlung liegenden von Joseph erhaltenen Anschliffe.
Abbildungen 20 bis 22 (oben): Schliffpräparat einer Diparistomaria urgonica TURNSEK & MASSE, 1972, einer Stromatoporoide aus der helvetischen Unterkreide (Barrême/Apt; Schrattenkalk). Hangschutt am Schwarzenberg bei Tiefenbach, Oberstdorf. Leg., präp. det. & ded. J. Merbeler; erhalten am 19.3.1993. Abmessungen 8,5 x 7,5 Zentimeter.
Abbildungen 23 bis 25 (oben): Schnitt durch eine Korallen-Kolonie aus der Gosau-Kreide (Oberkreide; Senon) des Neffgrabens bei Rußbach am Pass Gschütt, Bezirk Hallein, Salzburger Land. Man sieht die Korallen und dazwischen Schutttaschen mit kleinen Riffschutt-Komponenten und mehrere eingewachsene Brachiopoden. Erhalten von Joseph am 30.12.1984. Abmessungen 11,5 x 8 Zentimeter.
Abbildungen 26 und 27 (oben): Außenseitig frei gewitterter Korallenstock aus dem Hangschutt, von Joseph dann geschnitten und poliert. Schrattenkalk am Gattertobel, Allgäuer Alpen (Ifen-Gebiet westlich des Kleinwalsertals). 9,5 x 7,5 Zentimeter.
Besonders stolz bin ich auf ein Belegstück des nach Joseph Merbeler benannten Schwammes Murania merbeleri SCHOLZ, 1984, das mir Joseph schenkte. Diese korallinen Demospongien mit axinellider Skelett-Struktur (Axinellida) gehören zu den Milleporellidae und sind im Schrattenkalk vermutlich nicht selten, aber man muss sie erkennen. Und Joseph konnte das!
Abbildungen 28 und 29 (oben): An diesem Stück habe ich besondere Freude – es ist ein Exemplar der nach Joseph Merbeler benannten Murania merbeleri SCHOLZ, 1984; Helvetikum; Unterkreide (Barrême/Apt; Schrattenkalk). Hangschutt bei der Brandalpe bei Riezlern (Kleinwalsertal) unterhalb des Gottesacker-Gebiets. 10,7 x 6 Zentimeter. Man beachte die akkurate Beschriftung.
Herbert Scholz schreibt 1984 [„Bioherme und Biostrome im AlIgäuer Schrattenkalk (Helvetikum, Unterkreide“)] über sein untersuchtes Material: „Neben dem von mir aufgesammelten Material standen mir für die paläontologische Bearbeitung Proben aus den Naturwissenschaftlichen Sammlungen im Zumsteinhaus in Kempten, vor allem aber die ausgezeichnete Privatsammlung der Herren Georg Zink, Josef und Hubert Merbeler zur Verfügung, denen an dieser Stelle herzlich gedankt sei.“ Joseph und sein Bruder Hubert waren immer bereit, zu helfen und gaben gerne aus ihren Sammlungen ab.
Eine weitere nach Joseph Merbeler benannte Art ist eine Koralle der Dendrophylliidae,
Cairnsipsammia merbeleri BARON-SZABO, 2015. Das Belegmaterial liegt in der Sammlung Merbeler im Walsermuseum in Riezlern.
Abbildung 30 (oben): Die dendrophylliide Koralle Cairnsipsammia merbeleri BARON-SZABO, 2015. Foto Mathias Hanke.
Schon zu Lebzeiten übergab Joseph einen Teil seiner Sammlung an die Bayrische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München. Einen anderen Teil seiner Sammlung stiftete Joseph dem Walsermuseum in Riezlern/Kleinwalsertal, wo sie zeitweise ausgestellt war (das Museum ist derzeit wegen Umbauarbeiten geschlossen). Die rund 600 Dünnschliffe sind noch im Familienbesitz und werden von Sohn Ernst betreut.
Abbildung 31 (oben): Josephs ältester Sohn Ernst fertigte für seinen Vater eine Messing-Tafel, auf die ein Lias-Ammonit geätzt wurde, überschrieben mit den Worten „Die Merbeliten“. Die Tafel wurde auf einen roten Nummulitenkalk vom Rebellionshügel bei Burgberg montiert und steht in einem Bauernhof in Seiboldsdorf, einem Ortsteil von Traunstein. Der Landwirt ist selbst ein begeisteter "Stoiklopfer". Das zweite (hier gezeigte) Exemplar bewahrt Ernst bei sich zu Hause auf.
Abbildung 32 (oben): Joseph Merbelers Sterbebebild. Auch wenn wir Richters Sepp in den letzten Jahren nicht mehr sahen, hat sein Tod doch auch bei uns eine große Lücke hinterlassen. Wir sprachen – und werden sprechen! – oft über ihn. Er wird uns sehr fehlen!
Publikationen von Joseph Merbeler in „Fossilien“
MERBELER, J. (1984) : Anschliff, Dünnschliff, Folienabzug. - Fossilien, 1/1984, S. 38–44, 10 Abb. – Goldschneck-Verlag, Korb.
MERBELER, J. (1984) : Fossilien aus dem Schrattenkalk. - Fossilien, 5/1984, S. 234-235, 3 Abb. - Goldschneck-Verlag, Korb.
MERBELER, J. (1985) : Ausstellung „Korallen und Riffe im Wandel der Zeit“ im Zumsteinhaus in Kempten/Allgäu. - Fossilien, 3/1985, S. 100. - Goldschneck-Verlag, Korb.
MERBELER, J. (1985) : Mein bester Fund - Xanthopsis sonthofenensis (Grünten/Allgäu). – Fossilien, 3/1985, S. 106, 1 Abb. - Goldschneck-Verlag, Korb.
MERBELER, J. (1986) : Sonderausstellung über aufgeschnittene und polierte Gerölle aus der Unteren Süßwassermolasse des Allgäus im Heimatmuseum in Sonthofen. - Fossilien, 2/1986, S. 51. - Goldschneck-Verlag, Korb.
MERBELER, J. (1986) : Echo: Die Schneckenwand am Paß Gschütt. - Fossilien, 6/1986, S. 243. - Goldschneck-Verlag, Korb.
MERBELER, J. & G. GULISANO (1991: Der „Faltenwurf“ des Helvetikums: Karstlandschaft und Korallenriffe - Das Ifengebiet. - Fossilien, 4/1991, S. 221-229, 16 Abb. - Goldschneck-Verlag, Korb. Fotos A.E.R., wenn nicht anders angegeben.
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