Dr. Rudolf Schlegelmilch
(7. September 1931 - 21. Dezember 2018)
Von Andreas E. Richter, Augsburg (21. Dezember 2019).
Genau vor einem Jahr, am 21. Dezember 2018, verstarb Rudolf Schlegelmilch im Alter von 87 Jahren.
Abbildung 1 (oben): Rudolf Schlegelmilch im Urweltmuseum bei der Präsentation eines von ihm selbst angefertigten Textil-Ichthyosauriers mit einem erbeuteten Belemniten im Maul. Er hatte noch wenigstens ein weiteres Modell geschaffen, nämlich einen Plesiosaurier. Gedacht waren die Modelle zur Begeisterung der ganz jungen Besucher.
Foto Uli Sauerborn.
Es gibt wohl keinen Fossiliensammler, der den Namen „Schlegelmilch“ nicht schon gehört hat. Vor allem bei den Juraammoniten-Liebhabern war Rudolf Schlegelmilch bestens bekannt, wenn auch nur vom Namen her. Aber der war übernommen worden für „Den Schlegelmilch“, womit die jeweiligen Bände seiner großartigen Trilogie gemeint waren: „Hast Du nachgeschaut im Schlegelmilch?“.
Vor den Ammoniten aber war Rudolf Schlegelmilch ein erfolgreicher Physiker, der langjährig bei Carl Zeiss in Oberkochen arbeitete und sich in seiner Freizeit und dann im „Ruhestand“ intensiv mit Paläontologie beschäftigte. Dabei spezialisierte er sich vor allem auf die jurassischen Cephalopoden. Sein Arbeits- und Sammelgebiet waren die Jura-Ammoniten und –Belemniten. Ihnen widmete er sein Lebenswerk, die drei Bände über die Lias-, Dogger- und Malm-Ammoniten Süddeutschlands und den Belemniten-Band. Jeder ernsthafte Jura-Cephalopoden-Sammler genau wie die Fachwissenschaftler in ganz Europa nutzen die Bücher zu Orientierung und Bestimmung.
Er wurde am 7. September 1931 in Arnstadt in Thüringen geboren und beendete seinen Lebensweg am 21. Dezember in Aalen.
Er studierte in Jena und Berlin Physik, wurde 1967 an der Technischen Universität Berlin promoviert (Dissertation: Rekombinationsvorgänge bei der Elektrolumineszenz der Zinksulfid-Phosphore) und arbeitete dann bei Zeiss, wo er als Projektleiter für astronomische Großinstrumente zuständig war. Nebenbei baute er sich in seiner Freizeit ein astronomisches Teleskop aus weitgehend selbst angefertigten Teilen… Was besondere Beachtung verdient, weil ihm die rechte Hand fehlte und er mit einer Prothese arbeiten musste.
Bei Einrichtung und Gestaltung des bekannten und beliebten „Urweltmuseums“ in Aalen (eingeweiht 1977), das auf der Sammlung von Fritz Sauter basiert, war Schlegelmilch zusammen mit anderen Aalenern maßgeblich beteiligt. Er betreute das Haus dann, teils auch in Form vieler Führungen sowohl für Laien als auch für Fachleute. Auch bei der Gründung der hochaktiven Geologengruppe Ostalb e.V. im Jahre 1985 war Schlegelmilch beteiligt; er war 25 Jahr im Vorstand des Vereins tätig.
Im Jahr 1974 leitete er die in Aalen stattfindende 45ste Jahrestagung der Paläontologischen Gesellschaft.
1986 erhielt er für seine Verdienste um die Paläontologie hochverdient die „Zittel-Medaille“ und 2006 wurde er geehrt durch die Verleihung des „Verdienstkreuzes am Bande“ der Bundesrepublik Deutschland.
Berühmt waren seine Stereo-Diavorträge z.B. über die Liparischen Inseln, über Island und über seine Heimat Thüringen. Sie waren Höhepunkte auch des Vortragsprogramms der Geologengruppe Aalen.
Im übrigen war Rudolf Schlegelmilch durchaus nicht ausschließlich auf die Fossilien fixiert. Er war über die Paläontologie hinaus allgemein naturkundlich interessiert, er war sehr engagiert im Schwäbischen Albverein, er begeisterte sich für Musik und Literatur und sammelte Porzellan speziell aus seiner Heimat Thüringen.
Abbildung 2 (oben): Meine Schlegelmilche, durch ständigen Gebrauch schon ziemlich zerfleddert, der älteste natürlich am meisten (aber ich besitze neuwertige Ersatz-Exemplare, falls diese endgültig zerfallen).
Sein paläontologisches Werk sind die Bücher über die Ammoniten des süddeutschen Lias, Doggers und Malms und über die Jura-Belemniten Süddeutschlands. Mit ihnen hat er den Sammlern wie auch den Fachwissenschaftlern ein unersetzliches Werk in die Hände gegeben. Anregungen, auch noch die süddeutschen Jura-Nautiliden zu bearbeiten, konnte und wollte er leider nicht mehr folgen.
Seine vier Bücher sind bei mir ständig im Gebrauch. Sie sind die erste Adresse, wenn es um Jura-Ammoniten oder -Belemniten geht und so geht es gewiss ganz vielen Sammlern. Schlegelmilchs Arbeit daran war langwierig und gewiss nicht leicht, da er als Perfektionist alles optimal machen wollte. Er versuchte, möglichst viele Typen kennen zu lernen, fuhr oft nach Stuttgart, Tübingen, München usw., um die Stücke zu vermessen und zu fotografieren. Und, nebenbei, er war ein vorzüglicher Fotograf; schon in den späten 1960er Jahren publizierte er eine Dia-Reihe über Jura-Ammoniten und alle Fotos für seine Cephalooden-Bände fertigte er selbst an.
Ich füge einige persönliche Erinnerungen an. Mit meinem Freund Wolfgang „Goofy“ Osterrieder besuchte ich ihn im Rahmen einer Exkursion in die Ostalb, so irgendwann um 1967. Wir bewunderten seine Sammlung – klein aber fein! –, wurden dann von ihm zu einer ausgezeichneten mittäglichen Erbsensuppe eingeladen (in der Tat hätte uns angesichts der Ehrung, beim Meister essen zu dürfen, alles geschmeckt, egal, wie es geschmeckt hätte…) und danach zum Goldbächle bei Reichenbach geleitet, wo wir nach Amaltheen gruben. Bevor wir dort in den Bach hinab stiegen, schraubte sich Schlegelmilch seine rechte Hand ab und dafür einen Geologenhammer an. Und damit arbeitete er dann wacker im zähen Lias-delta-Tonmergel.
Später besuchte er mich mehrmals und ich hatte das Vergnügen, ihm ein großes Hammatoceras aus Heselwangen überlassen zu dürfen, das er dann auch in seinen „Lias-Ammoniten“ abbildete (Tafel 48, Figur 4; leider einer der hässlichsten der Ammoniten im Buch). Auf der Nürnberger Mineralien- und Fossilienbörse 1976 erhielt ich von ihm, sozusagen druckfrisch, ein Exemplar seiner „Ammoniten des süddeutschen Lias“, dem ersten Band seiner Trilogie.
Abbildung 3 (oben): Der Innentitel des Lias-Bandes mit der Widmung von Schlegelmilch.
Ich traf ihn immer wieder mal, hier und da, z.B. auf Vorträgen der Geologengruppe, er besuchte uns auch mal wieder hier in Augsburg. Er war ein höchst angenehmer Gesprächspartner, gut für vielerlei Themen weit hinaus über die Fossilien.
Denke ich an Schlegelmilch, dann sehe ich das Bild eines schlanken hoch gewachsenen Mannes vor mir, praktisch immer im Jackett, mit gerader Haltung und einem gepflegten Bart. Und sofort folgt eine Überblendung zu den unverkennbaren Orange-farbenen Bänden seiner Trilogie…
Er wird allen Fossiliensammlern unvergessen bleiben und man wird auch an ihn denken, wann immer man „Den Schlegelmilch“ in die Hand nimmt.
Abbildung 4 (oben): Ein Pleuroceras reichenbachense SCHLEGELMILCH, 1976 (synonym Amaltheus bechteri FRENTZEN stad. nudum (QU.) FRENTZEN, 1937 sowie Amaltheus margaritatus var. transiens FRENTZEN, 1937). Oberpliensbach; Spinatum-Zone (Amaltheenton; Quenstedts Lias delta 2). Mit der u.a. auch für das Goldbächle bei Reichenbach typischen schönen schokoladebraunen Schale und den Schwefelkies-Kistallen. Durchmesser ca. 3,5 Zentimeter. Den Ammoniten schenkte mir Schlegelmilch beim Besuch 1967, womit ich einen vom Art-Autor gesammelten und von der Typus-Lokalität stammenden Ammoniten besitze. Ich werde ihn in Ehren halten!
Publikationen von Rudolf-Schlegelmich:
SCHLEGELMILCH, R. (1976): Die Ammoniten des süddeutschen Lias. - 212 S., 21 Abb., strat. Tab., 52 Fossiltafeln. - Gustav Fischer Verlag, Stuttgart.
SCHLEGELMILCH, R. (1985): Die Ammniten des süddeutschen Doggers. - 284 S., 15 Abb., zahlreiche
Zeichnungen von Lobenlinien und Windungsquerschnitten, 59 Fossiltafeln. - Gustav Fischer Verlag, Stuttgart.
SCHLEGELMILCH, R. (1994): Die Ammoniten des süddeutschen Malms. - 297 S., 2 Abb., strat. Tab., zahlreiche Zeichnungen von Lobenlinien und Windungsquerschnitten, 73 Fossiltafeln. - Gustav Fischer Verlag, Stuttgart.
SCHLEGELMILCH, R. (1998): Die Belemniten des süddeutschen Jura. Ein Bestimmungsbuch für Geowissenschaftler und Fossiliensammler. - 151 S., 23 Abb., 6 Tab., 20 Taf. - Gustav Fischer Verlag, Stuttgart.
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