Raritäten, Besonderheiten und auch ganz "Normales". |
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Monatsfossilien Oktober: Merycoidodon culbertsoni, Herdentiere aus dem Oligozän
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Monatsfossilien Dezember: Jakobsmuscheln aus den Neogen-Becken der Betischen Kordillere (Andreas E. Richter;
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Monatsfossilien 2021 Monatsfossil Dezember: Coronula diadema, die Walseepocke (Andreas E. Richter; 1.12.2021) (16 S., 25 Abb.)
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Monatsfossilien 2020 Monatsfossilien Dezember: Stephanoceras aus der Schweiz (Andreas E. Richter; 1.12.2020) (5 S., 8 Abb.)
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Monatsfossilien Dezember: Gypidula galeata - Brachiopoden aus dem Silur von England (Andreas E. Richter;
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Monatsfossilien 2018 Monatsfossilien Oktober: Seeigel aus der Unterkreide: Tetragramma malbosi (AGASSIZ, 1846) (Andreas E. Richter;
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Monatsfossilien 2017 Monatsfossilien Dezember: Encrinus liliiformis LAMARCK, 1801 - die schönsten Seelilien Europas!
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Monatsfossilien 2016 Monatsfossil Mai: Der Krebs Eryon cuvieri DESMAREST, 1817 (Andreas E. Richter; 1.4.2017) (12 S., 14 Abb.)
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Monatsfossilien 2015 Monatsfossilien Dezember: Belemniten-Rostren der Gattung Megateuthis (Andreas E. Richter; 1.12.2015)
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Monatsfossilien 2014 Monatsfossil Dezember: "Ein räthselhafter Fisch aus dem Mansfelder Kupferschiefer" - Menaspis armata
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Monatsfossilien 2013 Monatsfossil Dezember: Perlmuttschalige Muschel (Andreas E. Richter; 1.12.2013) (6 S., 7 Abb.)
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Monatsfossilien 2012 Monatsfossilien Dezember: Trilobiten der Art Eldredgeops rana (GREEN, 1832) (Andreas E. Richter; 1.10.2012)
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Monatsfossilien 2011 Monatsfossil Dezember: Der Trilobit Asaphus cornutus (PANDER, 1830) aus dem oberen Mittelordoviz (Darriwilian)
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Monatsfossilien 2010 Monatsfossil Dezember: Ammonit mit polierter Oberfläche aus dem Oberjura Madagaskars (Andreas E. Richter;
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Monatsfossilien 2009 Monatsfossil Dezember: Ein Encrinus mit einer Geschichte (Andreas E. Richter; 1.12.2009)
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Monatsfossilien 2008 Monatsfossil Dezember: Eichenblatt aus dem Oligozän von St. Bauzile, Ardèche/F. (Andreas E. Richter)
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Monatsfossilien 2007 Monatsfossil Dezember: Ammonit aus der Maastrichter Tuffkreide
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Monatsfossil Dezember: Foraminifere Planularia cassis aus dem Pliozän
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Monatsfossil Dezember: Heteromorpher Kreideammonit (Australiceras)
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Monatsfossilien 2004 Monatsfossil Dezember: 2,5 Millarden Jahre altes Bändereisenerz aus Australien
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Monatsfossilien Oktober: Meine ersten Merycoidodon-Fossilien tauschte ich vor rund 50 Jahren ein von einem im mittleren Westen der USA lebenden deutschstämmigen Fossiliensammler namens „Hirsch“: Einzelzähne und bezahnte Unterkiefer-/Oberkiefer-Fragmente vom Merycoidodon culbertsoni. Mein erstes Schädelpräparat – das hier gezeigte - erwarb ich etwas später im Fossilien-Tausch von Allen Graffham, dem Gründer und Betreiber des auf den Verkauf von Fossilien und geologischen Belegen spezialisierten Unternehmens „Geological Enterprises“ (ab 1955). Der Schädel gehört zur häufigsten Merycoidodon-Art, nämlich zu Merycoidodon culbertsoni. Er stammt aus den Schichten der Brule Formation (Oligozän) South Dakotas, aus den dortigen Badlands. Heute würde der Schädel als schlecht präpariert gelten. Er ist partiell ergänzt und wurde recht grob frei gelegt. Für mich war er ein highlight - ein richtiger Schädel – endlich hatte ich auch mal so etwas!
Abbildungen 1 bis 3: Schädelpräparat eines Merycoidodon culbertsoni (LEIDY, 1848) aus der Brule Formation (Oligozän) der White River Badlands in South Dakota/USA. Maximal 20 Zentimeter. Schädel von rechts, von links und von oben. Abbildungen 4 bis 6: Detailbilder der Bezahnung des auf den Abbildungen 1 bis 3 gezeigten Schädels. Die Merycoidodonten (= Oreodonten) waren eine in den oligozänen Schichten Nordamerikas weit verbreitete Paarhufer-Gruppe von landbewohnenden Pflanzenfressern. Sie sind hier endemisch. Ihre Reste findet man ab dem späten Eozän bis ins Obermiozän von Alberta bis Florida, von Texas bis Oregon und auch in Mittelamerika. Die Hauptverbreitung aber hatten sie im Oligozän im Gebiet der heutigen Badlands und Prärien der USA, vor allem in North Dakota, South Dakota, Nebraska, Montana und Wyoming. Die Merycoidodonten hatten einen Schweine-ähnlichen Körper mit kurzen Beinen und lagen in der Größe zwischen der eines Hasen oder kleinen Hundes (Miniochoerus) und eines Schweines (Merycoidodon) mit einer maximalen Körperlänge von 1,40 Meter. Die Berechnung des Lebendgewichtes von vier Tieren anhand von Skeletten adulter Tiere der Gattung Merycoidodon sensu stricto ergaben Werte zwischen 94 und 139 Kilogramm. Das selenodonte Gebiss war komplett entwickelt, die Caninen auffällig groß und kräftig. Biotop und Lebensweise der Tiere waren ähnlich jenen unserer modernen Hirsche. Die meisten Merycoidodonten waren Laubfresser, andere fraßen Gras oder beides. Sie lebten in großen Herden und wanderten nahrungssuchend durchs Land. Die Menge der Fossilfunde verweist auf eine extreme Häufigkeit ähnlich jener der Zebras in der Serengeti.
Abbildung 7: Tafel V aus Leidy 1853 („The Ancient Fauna of Nebraska...“), mit Darstellung eines Schädels von Oreodon culbertsoni (oben; Länge 16 Zentimeter) und eines Schädels von Oreodon gracilis (unten; Länge 9 Zentimeter). Die taxonomische Geschichte ist etwas verworren. Leidy errichtete die Gattung Merycoidodon mit der Typusart Merycoidodon culbertsoni im Jahre 1848 auf der Basis eines Unterkiefer-Fragments (das Fundstück von Culbertson), erst 1851 die Gattung Oreodon unter Verwendung wesentlich besseren und vollständigeren Fossilmaterials. Die Rückführung in die Gattung Merycoidodon wurde 1884 von Cope durchgeführt, erstens wegen der Prioritäts-Regeln und auch weil der Name „Oreodon“ ungültig ist wegen Synonymie mit einer früher errichteten Fisch-Gattung.
Abbildung 8: Montiertes Skelett von Merycoidodon culbertsoni; aus Osborn (1921).
Abbildung 9: Lebensbild von Merycoidodon culbertsoni. Darstellung Robert Bruce Horsfall (1913).
Abbildung 10: Schädelpräparat von Merycoidodon culbertsoni aus den Badlands von South Dakota, ausgestellt im Naturhistorisches Museum Wien. Foto DagdaMor; via Wikipedia.
Abbildung 11: Fragmentarisch erhaltenes Skelett von Merycoidodon culbertsoni in einer Konkretion, ausgestellt im Paläontologischen Museum Zürich. Foto Rama; via Wikipedia.
Abbildung 12: Merycoidodon culbertsoni, nahezu komplett erhaltenes Skelett (Konkretionsfossil), ausgestellt im Paläontologischen Museum Zürich. Foto Ghedoghedo; via Wikipedia. Machen wir einen kurzen Abstecher in die erosiv extrem geprägten Badlands Nordamerikas. Die Ablagerungen dieser „Badlands“ sind berühmt für ihre regional außerordentlich reiche Fossilführung. Die ersten gelegentlichen Fossil-Aufsammlung in den Bad Lands von South Dakota und Nebraska begannen etwa 1840. Im Jahre 1843 sammelte Alexander Culbertson, Angestellter der American Fur Company, zwei Unterkiefer-Fragmente auf, die er weitergab an einen Arzt namens Hiram A. Prout in St. Louis. 1846 veröffentlichte Prout im American Journal of Science eine Arbeit über einen dieser Kiefer; er ordnete ihn einem Tier zu, das er Paleotherium nannte (später von Leidy beschrieben als Palaeotherium prouti, heute Megacerops, zwischenzeitlich Brontotherium bzw. Titanotherium). Das kleinere unscheinbare Kieferfragment wurde von Joseph Leidy beschrieben, der 1848 anhand dieses Belegs die Gattung Merycoidodon mit der Typusart Merycoidodon culbertsoni errichtete; er beschrieb in der gleichen Publikation auch die Art Merycoidodon gracilis. In kurzer Zeit wurden die White River Badlands nun zu einem beliebten fossil hunting ground. Die Aufsammlungen erbrachten sehr schnell eine große Anzahl an Fossilien.
Abbildung 13: Eine Postkarte aus den Badlands von North Dakota, etwa von 1940.
Abbildung 14: Badlands im Ah-shi-sle-pah-Gebiet in Nordwest-New Mexico, ebenfalls ein sehr fossilreiches Gebiet. Foto Bob Wick, BLM California; via Wikipedia.
Abbildung 15: „View of the Mauvaises Terres. – From the Geological Report of Dr. Owen.“ Zu dieser Zeit wurde offenbar anstatt des heutigen „Badlands“-Begriffes noch die französische Urform verwendet, „Mauvaises Terres“, Schlechtes Land. Aus Leidy 1853 („The Ancient Fauna of Nebraska...“). Dargestellt ist das Lager einer Ausgrabungs-Mannschaft in einer stark profilierten Badlands-Landschaft.
Abbildung 16: Blick in den Theodore Roosevelt National Park in North Dakota. Foto AndrewKPepper; via Wikipedia.
Abbildung 17: Der Badlands National Park in South Dakota. Foto James St. John; via Wikipedia.
Abbildungen 18 und 19: Titelblatt und Auszug aus Abels „Amerikafahrt“.
Abbildungen 20 bis 22: Badlands-Ansichten aus Abels „Amerikafahrt“.
Abbildung 23: Teilartikuliertes „Oreodon-“Skelett, in situ fotografiert. Bild aus Abel 1926.
Abbildung 24: Schädel eines „Oreodon“ culbertsoni. Sammlung der Universität Wien. Die umfassendste Publikation über die Säugetiere des Gebietes veröffentlichte der berühmte amerikanische Paläontologe Joseph Leidy (1869): „On the extinct Mammalia of Dakota and Nebraska...“. Das ist wohl Leidys wichtigstes Werk, was bei einem Publikations-Katalog von 553 Arbeiten schon etwas heißen will. Bereits in verschiedenen früheren Werken hatte er die oligozäne Fauna der Badlands beschrieben (z.B. „The Ancient Fauna of Nebraska; or a description of remains of extinct Mammalia and Chelonia, from the Mauvaises Terres, of Nebraska“; 1853). 1870 trat erstmals der ja sehr rührige Yale-Paläontologe Othniel C. Marsh in den tertiären Badlands auf und entwickelte verfeinerte Methoden der Fossilsuche. Seit 1899 schickt die South Dakota School of Mines jedes Jahr Professoren, Präparatoren und Studenten zur Fossilsuche in die White River Badlands, die zweifellos die weltweit reichste Fundstelle für oligozäne Säugetiere sind. Ein prominenter Badlands-Besucher war auch der österreichische Paläontologe Othenio Abel, der seine Erlebnisse in den Badlands und anderen Gebieten Nordamerikas in seinem interessanten und lesenswerten Buch niederschrieb: „Amerikafahrt“ (1926). Jedem einigermaßen umfassend interessierten Fossiliensammler rate ich, sich das Buch zu beschaffen. Literatur-Hinweise: ABEL, O. (1926): Amerikafahrt. Eindrücke, Beobachtungen und Studien eines Naturforschers auf einer Reise nach Nordamerika und Westindien. – VIII + 462 S.; 273 Abb. - Gustav Fischer Verlag, Jena. Text, Sammlung und Fotos A.E.R.; wenn nicht anders angegeben.
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Abbildung 1: Dolomit-Kern eines rhynchonelliden Brachiopoden mit gut erkennbarer „Überzuckerung“ durch winzige Dolomit-Kristalle. Weißjura gamma/delta, „Auf dem Kulm“; Ludwag. Maximal etwa 3 Zentimeter. Sammlung und Foto A.E.R.
Monatsfossilien September: Die Monatsfossilien September sind „hundsordinäre“ Brachiopoden – kennt jeder Sammler, hat jeder Sammler. Man denke an die Brachiopoden-Vielfalt des Eifel-Devon, Coenothyris im Muschelkalk, die reichen Brachiopoden-Faunen im Mitteljura der Calvados-Küste, an den Oberjura der Frankenalb (namentlich Juralina in Saal) oder an Cyclothyris aus der Oberkreide der Charente. Also: Brachiopoden sind nichts Besonderes. Jedenfalls nicht für „Normalsammler“. Die hier als Monatsfossilien gezeigten Brachiopoden sind allerdings doch etwas Besonders, nämlich von der Erhaltung her. Es sind erstens dolomitisierte Steinkerne und die sind im Fossilreport nicht ganz so häufig zu finden. Zweitens zeigen einige dieser Dolomit-Kerne (leider nur wenige) dichotom zum Klappenrand verzweigte Linien, die Vascular- oder Pallial-Leisten. Die Oberfläche ist zuckerkörnig mit winzigen Dolomit-Kristallen besetzt, wodurch die Fossilien je nach Lichteinfall ein wenig glitzern. Diese „Überzuckerung“ mit mikrokristallinem Dolomit bzw. Dolomit-Kleinkristallen ist typisch für dolomitisierte Fossilien.
Abbildung 2: Sechs dolomitisch erhaltene Rhynchonellen verschiedener Morphotypen mit teils gut erkennbarer „Dolomit-Zuckerung“. Weißjura gamma/delta; „Auf dem Kulm“, Ludwag. Sammlung und Foto A.E.R.
Abbildung 3: Drei markante Vertreter des Morphotyps Lacunosella sparsicosta (QUENSTEDT, 1858). Weißjura gamma/delta; „Auf dem Kulm“, Ludwag.
Abbildungen 4 und 5: Zwei Dolomit-Kerne des Morphotyps Lacunosella sparsicosta (QUENSTEDT, 1858). Weißjura gamma/delta; „Auf dem Kulm“, Ludwag. Sammlung und Fotos A.E.R. Dolomitisierung ist eine frühzeitig – während der Diagenese (= Gesteinsbildung) ablaufende Umbildung der marinsedimentär gebildeten Kalksteine zu Dolomit. Dies geschieht durch Einwirkung von magnesiumhaltigem Meerwasser: Das Calcium wird teilweise durch Magnesium ersetzt. Bei der Dolomitisierung - als Beispiel nenne ich den Frankendolomit - werden Fossilien „überprägt“, sie verschwinden. Nur in Ausnahmefällen erfolgt eine Umwandlung der Fossilien in dolomitische Steinkerne, die dann überliefert werden können. Entsprechend sind dolomitisierte Fossilien selten. Auf beiden Klappen der Brachiopoden sind innen sogenannte Vascular-Linien sichtbar, manchmal verschwommen, relikthaft, selten klar und optimal erkennbar. Exemplare mit deutlichen und markanten Linien sind sehr selten. Eigenartigerweise zeigen bei allen (mir zugänglichen) Dolomit-Brachiopoden in den meisten Fällen nur die Stielklappen (Ventral-Klappen) wirklich deutliche Linien. Sie sind auf dem Dolomit-Kern erhaben, bestanden also auf den Schalen-Innenseiten als Vertiefungen, „Kanäle“, und waren wohl Vertiefungen für Blutgefäße.
Abbildung 6: Mit Dolomit-Kristallen besetzter Dolomit-Kern einer Übergangs-Form zwischen Lacunosella multiplicata (ZIETEN, 1832) und Lacunosella sparsicosta (QUENSTEDT, 1858). Weißjura gamma/delta; „Auf dem Kulm“, Ludwag. Sammlung und Foto A.E.R.
Abbildung 7: Ungewöhnlich gut erhaltener und bruchfrei geborgener Dolomit-Kern eines Exemplars des Morphotyps Lacunosella cf. dilatata .(ROLLIER, 1917). Weißjura gamma/delta; „Auf dem Kulm“, Ludwag. Leicht verkippte Stielklappen- und Armklappen-Ansichten. Man sieht die markant erhaltenen Pallial-Eindrücke. Maximal 2,7 Zentimeter. Sammlung und Fotos Walther F. Zenske.
Abbildung 8: Ungewöhnlich gut erhaltenes Exemplar des Morphotyps Lacunosella multiplicata (ZIETEN, 1832) mit gut erkennbaren Vascular-Linien („Pallial-Eindrücke“, Gefäß-Eindrücke). Sie treten bei allen untersuchten Dolomit-Kerne aus Ludwag überwiegend auf dem Steinkern der Stielklappen (Ventral-Klappen) auf, sind aber grundsätzlich sehr selten. Weißjura gamma/delta; „Auf dem Kulm“, Ludwag. Gehäusebreite ca. 2,3 Zentimeter. Sammlung und Foto A.E.R.
Abbildung 9: Orbirhynchia parkinsoni E. F. OWEN, 1960 (syn. Terebratula sulcata PARKINSON, 1819. Kreide; Oberalb/Cenoman (Cambridge Greensand); Cambridge/England. Abbildung aus Davidson, Tafel 10, Figuren 35 und 36.
Abbildung 10: Pygope diphya (BUCH, 1834) ( Terebratula diphya BUCH, 1834). Oberjura. Abbildung aus Davidson, Tafel 6, Figur 3.
Abbildung 11: Orthis calligramma (DALMAN, 1828). Ordoviz; in Davidson ohne Fundort-Angabe. Steinkern mit Ansicht der Dorsal-Klappe, gezeichnet nach einem wunderbar erhaltenem Exemplar („…drawn from a beautiful specimen…“), dem British Museum überlassen von Koninck. Man sieht die Aducctor-Eindrücke, die Ovarien und die Vascular-Linien. Abbildung aus Davidson, Tafel 7, Figur 133. Einige Fundstellen dolomitisierter Fossilien: Ein für mich ganz bedeutender Fundort in der Frankenalb war der Steinbuch „Auf dem Kulm“ bei Ludwag. Ursprünglich konnte man auf beiden Seiten des Einfahrtsbereiches in den dortigen Stotzen des Frankendolomits klopfen, später nur noch im linken (westlichen) Bereich. Mittlerweile wurde auch die dortige Kuhle als Deponie genutzt und mit Erdaushub zu geschüttet. Dort konnte man jedenfalls relativ viele Dolomitfossilien finden, vor allem Brachiopoden.
Abbildung 12: Auswahl einiger terebratulider Brachiopoden in Dolomit-Erhaltung. Sie gehören zu den Gattungen Loboidothyris/Juralina. Weißjura gamma/delta; „Auf dem Kulm“, Ludwag. Größtes Exemplar etwa 4 Zentimeter. Sammlung und Foto A.E.R.
Abbildung 13: Zwei Exemplare der Art Nucleata nucleata (SCHLOTHEIM, 1820). Eines der für Bestimmungsfreudige besonders liebenwerten Fossilien: Unverkennbar, leicht zuzuordnen! Das linke Exemplar steckt fest im Dolomit, das andere wurde für das Foto aufgelegt (maximal etwa 1,6 Zentimeter). Weißjura gamma/delta; „Auf dem Kulm“, Ludwag.
Abbildungen 14 und 15: Der Frankendolomit im Top des Steinbruches „Auf dem Kulm“ bei Ludwag. Man sieht auf dem Bild rechts oben die Schüttflächen des vor einigen Jahren eingebrachten Erdaushubes; rechts daneben schimmert schon eine der ockerfarben verwitternden Schwammriff-Flächen durch. Auf dem Bild links unten sehen wir den Dolomit-Stotzen am Eingang zur dahinterliegenden Wanne. Sehen Sie die Risse? Höchste Einsturzgefahr: Fern bleiben! Fotos Walther F. Zenske.
Abbildung 16: Ein rhynchonellider Brachiopode noch im Gestein. Gut erkennbar der bei der Schalen-Lösung entstandene Hohlraum. Weißjura gamma/delta; „Auf dem Kulm“, Ludwag. Sammlung und Foto Walther F. Zenske. Einer der weiteren fränkischen Fundorte war Oed bei Hartmannshof östlich Hersbruck. In den 1970er Jahren konnte man dort sammeln. Aber – auch lange vorbei! Eine berühmte Fundstelle für eine dolomitisierte Fauna war Großmehring (Oberjura; Oberkimmeridge) bei Ingolstadt: Muscheln (u.a. Diceras ), Schnecken, selten Nautiliden und Ammoniten Im Mitteldevon (Givet) des großen Steinbruches „Donnerkuhle“ bei Hagen in Nordrhein-Westfalen wird Dolomitgestein abgebaut, in dem dolomitisierte Brachiopoden der Gattung Stringocephalus vorkommen. Aus dem unteren Muschelkalk von Bad Kösen in Sachsen-Anhalt ist eine dolomitisierte Fauna bekannt, u.a. mit Myophoria vulgaris (SCHLOTHEIM, 1820) und seltenen Nautiliden. Auch aus dem unteren Muschelkalk von Zscheiplitz unweit von Freyburg an der Unstrut in Sachsen-Anhalt sind schöne Dolomit-Fossilien bekannt, darunter die gesuchten Turmschnecken verschiedener Gattungen. Es gibt natürlich auch andere dolomitisierte Fossilien wie z.B. die Trilobiten in den „Sárka-Kugeln“, Colpocoryphe bohemica (VANEK, 1965), Mittelordoviz (Llanvirn; Sárka-Formation) von Vokovize bei Prag in Böhmen, Tschechien. Oder Sthenarocalymene celebra (RAYMOND, 1916 aus dem Silur (Llandovery; Cedarville Dolomite) von Ohio/USA. Als Vorkommen der gleichen Brachiopoden-Fauna, allerdings in "normaler" Schalen-Erhaltung, nenne ich Laibarös. eine kleine Lokalität nur rund 7 Straßen-Kilometer entfernt (Richter 2006, Zenske 2018).
Abbildungen 17 und 18: Oben ein Bild des Schwammriffes bei Laibarös. Wir sehen prospektierend (von links nach rechts) Arno Pfeiffer, Helmut Keupp und Klaus P. Weiss. Foto von 1986 (Klaus, was warst Du schlank!). Heute sind die Riff-Ablagerungen nicht mehr so schön sichtbar, sondern in größeren Bereichen überwachsen. Das untere Bild zeigt eine Formenreihe der Gattung Lacunosella aus dem basalen Weißjura gamma von Laibarös. Das Exemplar links oben gehört zum Morphotyp Lacunosella multiplicata (ZIETEN, 1832), oben in der Mitte liegt eine Übergangsform zu den folgenden vier typischen Formen des Morphotyps Lacunosella sparsicosta (QUENSTEDT, 1858). Das Exemplar links oben hat eine Gehäusebreite von 3,2 Zentimeter. Fotos A.E.R.
Abbildungen 19 bis 22: Vergleichsweise zu den Dolomit-Kernen aus Ludwag gezeigte schalenerhaltene Brachiopoden aus dem basalen Weißjura gamma des Schwammriffes bei Laibarös. Die hier gezeigten Rhynchonellen gehören zu einer Art der Gattung Lacunosella. Nach der klassischen Taxonomie wären das Exemplare der Morphotypen Lacunosella multiplicata (ZIETEN, 1832) und Lacunosella sparsicosta (QUENSTEDT, 1858) (erstes und zweites Bild); das dritte und vierte Bild zeigen Übergangsformen. 3,4 bis 3,7 Zentimeter. Sammlung und Fotos Walther F. Zenske. Literatur-Hinweise: DAVIDSON, T (1851-54): British fossil Brachiopoda. - 3 Teile mit einer Einführung und einem Appendix. - 510 S., 43 lithographische Tafeln. - Palaeontographical Society, London. Text A.E.R., Sammlung und Fotos A.E.R. und Walther F. Zenske.
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Abbildung 1: Planularia cassis (FICHTEL & MOLL, 1798). Bis um 6 Millimeter große Foraminiferen.
Monatsfossilien August: Ich hatte schon einmal geschrieben über die Mikrofauna der Lokalität Cortijo de los Andújares, aber mittlerweile erreichten mich mehrere Anfragen von neueren Abonnenten nach Fundort und Fauna. Deshalb und wegen des allgemeinen Interesses vor allem für Mikrofossil-Liebhaber behandle ich das Thema noch einmal. Foraminiferen – das ist nicht unbedingt ein Reizwort für Fossiliensammler. Aber: Wenn man sich einmal die Formenvielfalt und Schönheit dieser Kammerlinge vor Augen hält (allerdings mit einem zwischengeschalteten Binokular), wird man vielleicht doch die Begeisterung über und die Freude an diesen Winzlingen verstehen können. Abbildungen 2 und 3: Blicke auf die Nordwände der Lokalität. Im Vordergrund des unteren Bildes die Sammler Bernhard und Andy beim Prospektieren. Die hier gezeigte Fauna stammt aus gipsführenden Sandmergeln/Mergelsanden des Unterpliozän mit reicher Fauna. Gips ist feinst verteilt enthalten im Sediment, in größeren Aggregaten in Form bizarrer meist plattiger Bildungen, die frei im Sandmergel bzw. ausgewittert liegen, Gips dient auch als Versteinerungsmittel der Molluskenschalen und Korallen. Die Aragonit-Schalen der Schnecken, Muscheln und Scaphopoden sowie die Korallenskelette wurden frühdiagenetisch in Gips umgewandelt und dadurch überlieferungsfähig. Das Schlämmmaterial, das diese Fauna lieferte, stammt aus einer wenig bekannten und wohl auch wenig besuchten Lokalität in Andalusien. Es ist eine Schlucht, einige 30 Meter tief erodiert, von außerhalb nicht sichtbar, mit großartigen Erosions-Erscheinungen. Auf den Hangschürzen liegen Fossilien, vor allem Mollusken und Korallen. Diese kleine Cañon-Landschaft (Längen-Ausdehnung nur rund 300 Meter) ist gegliedert durch meist kurze Seitentäler. Die teils steilen Wände zeigen schöne Erosions-Erscheinungen, dazwischen und davor steile bis flache Hängen mit mehr oder weniger tiefen Wasserrissen. Der gesamte Komplex kann oben am Rand umgangen werden, abgesehen vom unmittelbar nördlich anschließenden Autobahnbereich. Heute existieren durch den Autobahnbau (A-7) vor etlichen Jahren nur noch zwei Drittel der ursprünglichen Schluchtlandschaft. Wie die aktuelle Situation der Lokalität ist, weiß ich nicht. Lage und Anfahrt siehe Leitfossil.de, Fundstellen; erschienen 2003, enthalten auf Jahrgangs-CD 2004.
Abbildung 4: Nach Hause mitgebrachtes Schlämmmaterial, entnommen Ende der achtziger Jahre, jetzt wiederentdeckt und geschlämmt: 10 Kilogramm in vier Beuteln, verschlossen mit Pfeifenreinigern. Daneben unser Kater Pixel (5,5 Kilogramm).
Abbildung 5: Nach dem Schlämmen: 46 Gramm in der Grobfraktion größer 0,5 Millimeter, 37 Gramm in der Feinfraktion 0,2 - 0,5 Millimeter .
Abbildung 6: Schale mit ausgelesenen Mikrofossilien.
Abbildungen 7 und 8: Zwei Vergrößerungen ausgelesener Mikrofossilien: Foraminiferen, Seeigel-Stacheln (die löffelförmigen Objekte), Krebsscheren... Die teils ausgezeichnete Erhaltung der Fossilien – Makro- wie Mikrofauna - schließt einen weitstreckigen Transport aus. Nach dem Absterben der Tiere wurden die Hartteile entweder unmittelbar am Lebensort oder in geringer Entfernung eingebettet. Die gute Erhaltung auch empfindlicher Formen schließt bodenberührende Wellen aus und spricht für einen Ablagerungsraum mit größerer Wassertiefe. Ich nenne die Lokalität Cortijo de los Andújares nach einem naheliegenden gleichnamigen Mas (Weiler) wenig nördlich der Autobahn. Sie liegt in der Provinz Almería, also in Andalusien, etwa 15 Kilometer Luftlinie östlich der Stadt Almería und rund 4,5 Kilometer nördlich der Küste. Der gesamte Komplex kann oben am Rand umgangen werden, abgesehen vom unmittelbar nördlich anschließenden Autobahnbereich. In einer Arbeit von Gregor & Richter von 1996 wird die Lokalität als "El Alquián" bezeichnet, nach dem Vorort und Flughafen von Almería. Das Profil besteht aus gipsführenden sandigen Mergeln (mergelige Sande) mit einer relativ reichen Fauna. Es existieren keine lithologischen Gliederungsmerkmale. Die Gesamtmächtigkeit liegt bei 20 bis 30 Metern. Die basalen Schichten lagern unmittelbar auf dem Messin (oberstes Miozän).
Abbildungen 9 und 10: Marginulina costata coarctata SILVESTRI, 1923. Streuung und Legepräparat. Die meisten Exemplare haben wohl erhaltene Mündungen. - Zusammen mit den Lenticulinen sind Formen der Gattung Marginulina absolut dominant. Auf dem unteren Bild links und rechts zwei komplette Exemplare mit terminaler Mündung, in der Mitte ein Exemplar, bei dem der jüngste Gehäusebereich weggebrochen ist und oberhalb nur der ehemalige Mündungshals stehen blieb. Linkes Exemplar 3,8 Millimeter. Abbildung 11: Lenticulina rotulata (LAMARCK, 1804). Gehäuse mit großem glattem Nabelpfropfen; auf dem Bild etliche Exemplare mit erhaltenen Mündungen. Größtes Exemplar 2,4 Millimeter.
Abbildung 12: Lenticulina echinata (ORBIGNY, 1846). Gehäuse-Oberfläche gekörnelt, mit kräftigen Radialrippen und Dornen. Größtes Exemplar 2,6 Millimeter.
Abbildung 13: Lenticulina aculeata (ORBIGNY, 1826). Gehäuse-Oberfläche glatt; Dornenbesatz. Größtes Exemplar 2 Millimeter.
Abbildungen 14 und 15: Lenticulina orbicularis (ORBIGNY, 1826). Gehäuse glatt mit dünner scharfer Außenkante. - Das untere Bild zeigt ein Legepräparat mit Ontogenese. Größtes Exemplar 3,5 Millimeter.
Abbildung 16: Planularia cassis (FICHTEL & MOLL, 1798). Streupräparat. Das Gehäuse unten Mitte zeigt eine Kammerungs-Anomalie.
Abbildung 17: Exemplare mit erhaltenen Mündungen. Größtes Exemplar 3,5 Millimeter.
Abbildung 18: Planularia cassis (FICHTEL & MOLL, 1798). Linkes Exemplar komplett mit erhaltener Mündung, mit blasenartiger Auswuchs-Anomalie. Durchmesser 4,5 Millimeter. Beim rechten Exemplar ist eine Kammer abgebrochen; die jüngsten erhaltenen drei Kammern sind anomal ausgebildet.
Abbildung 19: Eine Ontogenese von Planularia cassis. Größtes Exemplar 4 Millimeter. Die Mikrofauna der gipsführenden Sandmergel ist extrem reich. Schon das gründliche Absuchen der abgewitterten Oberfläche erbringt ungewöhnlich großwüchsige Lenticulina - ( "Robulus" ) (bis 5 Millimeter Durchmesser) und Nodosaria -Exemplare (bis über einen Zentimeter Länge) in reicher Zahl (je nach Fleiß, natürlich). In den feineren Fraktionen des Schlämmrückstandes ist eine höchst arten- und individuenreiche Foraminiferen- und Ostrakoden-Fauna enthalten. Die Feinfraktion enthält reichlich Fossilien, mit eindeutiger Dominanz der Globigerinen, und zwar in hoher Artenvielfalt – laut Rögl treten rund 27 Arten auf. Dazu kommen kleine Lenticulinen, Uvigerinen und weitere Formen. Nach Rögl (1996) gehören die Schichten zum Unterpliozän. Die benthonische Foraminiferen-Fauna entspricht einer Uvigerina-peregrina -Vergesellschaftung;. Es treten vor allem im Sediment grabende Benthos-Formen auch, aber auch die auf dem Substrat lebenden Formen sind in großer Zahl vertreten. Die planktonische Fauna erlaubt eine Eingliederung in die obere Globorotalia-puncticulata/Globorotalia-margaritae -Zone. Das absolute Alter der Schichten liegt zwischen etwa 4,5 und 3,55 Millionen Jahren. Wenn man mal dort sein sollte, muss man reichlich Schlämmmaterial mitnehmen – ich bereue zutiefst, bei meinem letzten Besuch nicht mehr mitgenommen zu haben! Nehmen Sie die Proben in nicht kontaminierten Profilbereichen, um Verunreinigungen auszuschließen; andererseits sind die Fossilien im oberflächlichen Material angereichert. Die wirklich großen Foraminiferen sind im Schlämmgut doch relativ selten, weshalb sie schon hier vor Ort aufgesammelt werden sollten - man sollte also eine Pinzette dabei haben. Literatur-Hinweise: GREGOR, H.-J. & A. E. RICHTER (1996): Geologie, Fazies und Fossilinhalt der pliozänen Ablagerungen von El Alquián östlich Almería (Andalusien, Spanien). 41 S., 7 Abb., 14 Taf. documenta naturea, no. 106, bd. 2. - München. Herzlichen Dank für Hilfe bei der Literatur-Beschaffung (via Uli Lieven) an Alexander Heyng!
Abbildung 20: Eine der unveröffentlichten Foraminiferen-Tafeln von Alcide d'ORBIGNY: Tafel 34 aus VÉNEC-PEYRÉ 2005. Dargestellt ist Planularia cassis FICHTEL & MOLL, 1798 ("Nautilus cassis") und andere Lenticulinen. Die Exemplare stammen aus der Adria "nahe Rimini" (rezent) und fossil aus "Sienna" (Pliozän) . Text, Sammlung und Fotos A.E.R., wenn nicht anders angegeben.
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Ein Haarstern-Centrodorsalium - mein seltenstes Fossil aus den Grands Causses.
Monatsfossil Juli: Das Monatsfossil Juli ist zwar eine große Besonderheit, aber groß ist es nicht. Dafür stellt es eine ausgesprochene Rarität dar – es ist meines Wissens der einzige Fund eines Fossils aus der Gruppe der Haar- oder Federsterne (Comatulida) aus den Grands Causses. Während knapp 100 Exkursionen in diese wunderbare Hochflächen-Landschaft wurde nur ein einziges derartiges Fundstück geborgen, und zwar durch meine Frau Gabo bei einer Richter-Reisen-Exkursion im Jahr 2009. Abbildungen 1 bis 4: Centrodorsalium eines Haarsterns der Comatulida, von oben, unten, schräg und lateral gesehen. Tonmergel-Fazies des Toarcien (oberer Unterjura); Lokalität „Ruine“ wenig westlich des Dorfes St-Paul-des-Fonts im Département Aveyron. Durchmesser etwa 1 Zentimeter. Leg. Gabo Richter 2009. Die Wahrscheinlichkeit, in der Gegend bzw. speziell an der Lokalität weitere Exemplare zu finden, ist außerordentlich gering. Trotzdem beschreibe ich den Fundort noch einmal (siehe auch Richter 2009)– es gibt dort ja auch andere schöne Fossilien. Die Fauna ist jedenfalls relativ divers, wenn auch insgesamt klein.
Abbildungen 5 und 6: Auf dem oberen Bild sieht man im Top des Profils die Kalkkliffs des oberen Aalenien und Bajocien, darunter überwachsene Flächen mit Tonmergel-Gesteinen des unteren Aalenien und Toarcien. Die Lokalität „Ruine“ ist mit einem roten Oval markiert. Das untere Foto zeigt Exkursions-Teilnehmer bei der Begehung der Tonmergel-Hänge. Abbildungen 7 und 8: Weil hier nur wenig gesammelt wird, liegen manche Fossilien freigewittert als Härtlinge auf Erdpyramiden wie dieses Hildoceras. Das untere Bild zeigt das unmittelbar nach dem Fund fotografierte Centrodorsalium. Das Monatsfossil misst nur einen Zentimeter, ist also wirklich ein Kleinfossil. Ich kann wenig mehr dazu sagen, als dass es ein Centrodorsalium ist, also eine Kelchbasis, einer freischwimmenden Seelilie der Haarstern-Gruppe. Diese Haarsterne gehören innerhalb der Crinoiden zur Ordnung Comatulida. Im Gegensatz zu den zeitlebens auf dem Substrat aufgewachsenen Crinoiden der Seeliliengruppe sind die Haarsterne nur im Jugendstadium mit einem Stiel aufgewachsen (Pentacrinus-Stadium). Nach der Ablösung vom Stiel gehen sie zu einer kriechenden/schwimmenden Fortbewegung über. Der Kelch der Haarsterne ist klein, die Armlänge beträgt ein Vielfaches davon. An der Unterseite der Kelchbasis sitzen seitlich die gegliederten Cirren, die Fortbewegung und Festhalten dienen. Die Arme sitzen seitlich an der Kelchbasis. Ich hatte den weltweit anerkannten Echinodermen-Spezialisten Hans Hess (1930-2017) kontaktiert mit der Bitte um eine Begutachtung des Fossils aus der Lokalität Ruine, wozu er auch bereit war. Ich hab das dann aber irgendwie versäckelt. Abbildungen 9 und 10: Die Farbvielfalt bei den rezenten (und vermutlich auch bei den fossilen) Haarsternen ist ganz erstaunlich. Oben ein roter Haarstern, fotografiert vor West-Mindoro, Pandan Insel, Indonesien. Foto Dwayne Meadows, OAA/NMFS/OPR; via Wikipedia. - Unten ein blauer Haarstern aus der Lembeh St. zwischen Sulawesi und Lembeh, Indonesien. Foto Bernard Dupont; via Wikipedia.
Abbildungen 11 und 12: Grafische Darstellungen von Comatuliden. Links Asterometra acerba (Abbildung aus „Echinoderma of the Indian Museum...“, VII, 1899). Collected by the Royal Indian Marine Survey ship Investigator.“ Man sieht den Kelch mit dem Centrodorsalium und den darüber folgenden Kelchplatten, die aufsteigenden Arme und unten zwei Cirren. Die zweite Zeichnung zeigt Neocomatella europaea (CARPENTER, 1888) (syn, Actinometra pulchella) von unten. Die rezenten Haarsterne leben bevorzugt in strömungsreichen Fachwassergebieten, vermeiden aber wegen der Fragilität des Skeletts die Gezeitenbereiche. Das hier in der Tonmergel-Fazies der Causses gefundene Centrodorsalium stammt von einem Tier, das hier nicht lebte, sondern durch Sturmwellen in den Golfe des Causses eingespült worden war oder irrtümlich in dieses für es unpassende Habitat eingewandert war. Das Fossil stammt wie gesagt von einer Lokalität in den Grands Causses, im Département Aveyron, Region Midi-Pyrénées, also in Südfrankreich, knapp 6 Kilometer südöstlich von Roquefort-sur-Soulzon, etwa 3 Kilometer westlich des Dorfes St-Paul-des-Fonts. Ich nenne die Fundstelle „Ruine“ nach der im Osten des Aufschlusses stehenden Ruine eines kleinen Bauernhauses.
Abbildungen 13 und 14: Oben eine großräumige Übersichtskarte zur Lage der Lokalität "Ruine“ bei St-Paul-des-Fonts. Unten eine Kartenskizze mit Lage und Anfahrt der beschriebenen Lokalität. Die fossilführenden Toarcien-Hänge, wo das Centrodorsalium gefunden wurde, sind rot gekennzeichnet. Um hinzukommen, fahren wir auf der D 93 von Fondamente in Richtung St-Affrique, also nach Nordwesten. Etwa 700 Meter nach dem Abzweig der D 516 nach Westen in Richtung des Dorfes St-Jean-d'Alcas zweigt im Scheitelpunkt einer Linkskurve ein Weg (GR 71c) nach rechts (Osten) ab (unmittelbar nach einem rechts oberhalb der Straße stehenden größeren Anwesen, einem "Mas", Bauernhof), dem wir folgen. Nach 1500 Metern (an einer Gabelung dem linken Schotterweg folgen) liegt links des Wegs (nördlich) eine kleine hügelige Erddeponie, die wir nach links umfahren. 300 Meter weiter kommen wir zu einer Eisenbahn-Überquerung. Wir parken vorher und gehen zu Fuß weiter. Wer sich traut, kann auch noch ein paar Meter weiterfahren. Der Weg ist aber sehr schlecht. Auf der jenseits der Bahnlinie und links des Weges liegenden Wiese laufen wir am unteren Wiesenrand entlang des Buschwerks nach links (Westen), bis wir den Nord-Süd-verlaufenden Stacheldrahtzaun am westlichen Wiesenrand an einem Durchgang passiert haben. Dann bergauf bis zu einem hangparallel verlaufenden Weg, dem wir nach rechts oder links zu den Hangaufschlüssen folgen (siehe Skizze). Literatur-Hinweise: RICHTER, A. E. (2007): Haarsterne? Das sind freischwimmende Seelilien. - Online-Magazin Leitfossil.de; Lehrreiches; 16.9.2007; 17 S., 25 Abb. - Ammon-Rey-Verlag, Augsburg. Jahrgangs-CD 2007. Im Anschluss zeige ich noch einige Bilder von Aufschluss und Fossilien von der Lokalität „Ruine“, um Interessierten die Vielfalt der Fauna zu zeigen und sie vielleicht zu einem Besuch anregen zu können. Abbildungen 15 bis 23: Ammoniten aus dem Toarcien der Lokalität „Ruine“.
Abbildungen 24 bis 27: Beispiele für die Schneckenfauna.
Abbildungen 28 bis 30: Neritopsis philea ORBIGNY, 1852. Eine seltene Schnecke, zugehörig zu den Neritopsidae (Archaeogastropoda). Leider hat das Exemplar einen kräftigen Kalkpanzer. Oben Sammlung Erich Stein; ca. 3 Zentimeter. Unten Sammlung A.E.R.; maximal 2,4 Zentimeter.
Abbildungen 31 bis 34: Einige Beispiele für die Muschelfauna.
Abbildungen 35 bis 37: Oben: Man findet auch rhynchonellide Brachiopoden, wie die hier von Walter Pache gezeigten Stücke der Art Pseudogibbirhynchia cf. jurensis (QUENSTEDT, 1858). Das kräftiger berippte Exemplar rechts vorn gehört vermutlich zur Art Stolmorhynchia vigilii (LEPSIUS, 1878). Sehr häufig sind Brachiopoden in diesen Schichten allerdings normalerweise nicht. Sammlung Walter Pache. - Unten: Bruchstück eines Belemniten-Rostrums (cf. Acrocoelites) im Phragmokon-Bereich, median aufgebrochen. Die Besonderheit ist, dass durch diesen willkürlichen Bruch die kugelförmige Anfangskammer freigelegt wurde, der Protoconch (Bursa embryonalis). Es kann sich also auch lohnen, median aufgebrochene Rostren gründlich anzuschauen. Maximal 3,3 Zentimeter. Text, Sammlung und Fotos A.E.R., wenn nicht anders angegeben.
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Abbildung 1: Ein prachtvolles in Chalcedon erhaltenes durchscheinendes Exemplar einer Aturia angustata (CONRAD in Dana, 1849) aus dem Oligozän des Grays Harbor County, Washington State/USA. Durchlicht-Fotografie. Durchmesser 3,3 Zentimeter. Sammlung und Foto Axel Wittmer. Das ist die schönste mir bekannte Aturia!
Monatsfossilien Juni:
Nautiliden sind im mesozoischen und neogenen Fossilreport die am seltensten genannten Formen der Cephalopoden. Während die Belemniten und Ammoniten oft in hoher Diversität und Anzahl vorkommen, sind Nautiliden immer deutlich selten. Eine der seltensten tertiären Nautiliden-Gruppen ist die der Familie Aturiidae Chapman, 1857. In diese Familie gehört auch die Gattung Aturia BRONN, 1838. Wir schauen uns kurz die Hierachie an, in absteigender Folge: Klasse Cephalopoda, Unterklasse Nautiloidea, Ordnung Nautilida, Unterordnung Nautilina, Oberfamilie Nautilaceae BLAINVILLE, 1825. In dieser Einheit stehen die Familien †Aturiidae, †Cymatoceratidae, †Hercoglossidae, †Paracenoceratidae, †Pseudonautilidae und Nautilidae, in welcher Familie auch die noch rezent auftretenden Formen eingegliedert sind. Aturia ist eine Gattung von Nautiliden mit frühestem Auftreten im Paläozän (ältestes Alttertiär), die bis ins späte Miozän nachweisbar ist. Die Arten der Gattung Aturia stammen wahrscheinlich von Formen der Familie Hercoglossidae ab. Aturia-Arten treten kosmopolitisch auf, z.B. im Paläogen Lybiens und im Eozän von Kroatien, Dänemark, England, Frankreich, Italien, Spanien, Peru... Aufgrund des Fress- und Jagdverhaltens lebender Nautilusse jagte Aturia höchstwahrscheinlich kleine Fische und Krebstiere. Die Aturien-Schale ist glatt, vollkommen skulpturlos und zeigt nur feine bis feinste Anwachsstreifen. Das Gehäuse ist abgeflacht, der Venter gerundet. Die Lobenlinie ist extrem komplex mit breitem abgeflachten Bauchsattel und schmalen spitzen Seitenlappen sowie breiten abgerundeten Seitensätteln und und breiten Lappen an den Venter-/Nabelkanten. Der Siphonal-Strang liegt subdorsal in der spitzenabgewandten (adapikalen) dorsalen Flexur des Septums. Das Sammeln bzw. Finden von Aturien ist eine ausgesprochene Glückssache. Mir selbst gelangen in rund 60 Jahren Sammeltätigkeit gerade mal zwei Funde. Beide Exemplare stammen von der gleichen Lokalität, nämlich von Finestrat in der Provinz Alicante/Südspanien. Beide Aturien sind gar nicht schön, aber was solls – es sind Aturien!
Abbildungen 2 und 3: Der „Urmeter“, sozusagen, der Gattung Aturia, Sowerbys „Nautilus ziczac“. Abbildung auf Tafel 1 in Sowerby 1812 und seine Beschreibung dazu.
Abbildungen 4 und 5: Zwei Aturien, im Fossilreport seltene Nautiliden. Das fragmentarische Exemplar auf der oberen Abbildung wurde im Gelände fotografiert. Das in Schrägansicht gezeigte Exemplar auf der unteren Abbildung muss noch präpariert werden. Eozän („Numulitico“) bei Finestrat, Provincia Alicante. Durchmesser je etwa 5 Zentimeter. – Schönere wenn auch kleinere Aturien von dieser Lokalität fanden Hans W. Kühnhold und Walter Hildebrandt an dieser Lokalität bei einer Richter-Exkursion: Verkieste und sekundär limonitisierte Exemplare.
Abbildung 6: Und weil ich bei all meinen Beiträgen zur Auflockerung auch gerne Landschafts- und Aufschluss-Bilder zeige, hier ein Foto des Fundgebietes der oben gezeigten Aturien. Im welligen Vorland streicht vielerorts das Numulitico aus, und an vielen Stellen gibt es Fossilien. Die Landschaft besteht aus weitflächigen steppenartigen Bereichen mit spärlichem Busch- und Baumbewuchs, leicht gewellt, teils terrassiert und mit Mandelbäumen bepflanzt; auch einige Olivenbäume stehen im Gelände. Vermutlich alle ausstreichenden Schichten gehören der Nummuliten-Führung nach zum oberen Ypres (Cuis). Die umgebende Landschaft ist freundlich, der Blick auf die Sierra de Orxeta und den Bergstock Campana eindrucksvoll. Im Norden sieht man das Dörfchen Finestrat liegen. Zur Lokalität siehe Richter 2009.
Abbildungen 7 und 8: Innenwindungen von Aturien aus dem Eozän (Lutet; „Fossilschicht“) der berühmten Lokalität am Haunsberg („St. Pankraz“) im Bundesland Salzburg/Österreich. Lateral- und Schräg-Ansicht. Durchmesser etwa 5 Zentimeter.
Abbildungen 9 und 10: Eine weitere Aturia-Innenwindung aus dem Lutet des Haunsberges in Lateral- und Venter-Ansicht. Durchmesser etwa 4 Zentimeter. Abbildungen 11 bis 14: Große und optisch eindrucksvolle Aturia der Art Aturia (Aturoidea) parkinsoni (EDWARDS, 1849). Sie stammt aus dem untersten Eozän (Ypres; „Ilerd“; Glaukonitsandstein unter Gryphaeenbank) des Haunsberges bei St. Pankraz im Bundesland Salzburg/Österreich. Der Durchmesser des Phragmokons beträgt 16,5 Zentimeter. Das Gesamtgehäuse des Tieres muss einen Durchmesser von wenigstens 30 Zentimeter gehabt haben. - Die Bilder unten zeigen verschiedene Ansichten des Phragmokons. Abbildung 15: Und das waren für mich die schönsten Stücke aus der Fossilien-Präsentation des ehemaligen Musée d'Histoire Naturelle in Bordeaux : Drei schalenerhaltene Aturien mit prachtvollem Perlmuttglanz, vermutlich aus dem Miozän von Leognan. Das größte Exemplar misst etwa 15 Zentimeter.
Abbildung 16 bis 19: Aturien aus dem alten Museum in Bordeaux: Ein Schalen-Exemplar und zwei Steinkerne mit einem der Original-Etiketten. Die eindrucksvollen Aturien-Steinkerne stammen aus dem „Calcaire à Astéries“ (Unteroligozän) der Lokalität Saint-Maixant (Département Gironde). Beim unteren Exemplar sind alle Kammerfüllungen lose, weil die Schale postdiagenetisch vollkommen gelöst wurde; außen herum ein größenmäßig angepasster Pappkasten, der die Kammerfüllungen zusammen hält. Das zweite Exemplar steckt noch teilweise in Gestein. Durchmesser je etwa 20 Zentimeter. Abbildungen 20 bis 22: Fragmentarische Innenwindungen einer kleinen Aturia aus der Gegend von Cestas südwestlich von Bordeaux, Département Gironde. Beachten Sie die interessanten Details! Drei Ansichten; maximal etwa 2 Zentimeter. Abbildung 23: Eine Aturia aturi (BASTEROT, 1825) aus dem Miozän von Salento in Apulien/Italien. Maximal 3,7 Zentimeter. Sammlung und Foto Ralf Krause.
Abbildung 24: Eine weitere Aturia aturi (BASTEROT, 1825) aus dem Miozän von Salento in Apulien/Italien. Durchmesser etwa 5 Zentimeter. Sammlung und Foto A.E.R.
Abbildung 25: Briefmarke mit der Darstellung einer Aturia aturi; Sonderausgabe der jugoslawischen Post aus dem Jahre 1985. Sammlung und Foto Ralf Krause
Abbildungen 26 und 27: Zwei Exemplare der nur im Mesozoikum auftretenden Gattung Pseudaganides. Oben aus dem unteren Oberjura (Oxford) von Madagaskar, unten aus dem unteren Oberjura (Oxford) des Poitou (Westfrankreich).
Abbildung 28: Und zum Vergleich der Lobenlinien nochmals eine Aturia vom Hausberg.
Literatur-Hinweise: KIEL, L. & S. (2016): A lower jaw of the nautiloid Aturia angustata (Conrad, 1849) from Oligocene cold seep limestone, Washington State, U.S.A. - PaleoBios, 33; S. 1-6, 2 Abb. - ucmp_paleobios_32868 – Berkeley, California. Text, Sammlung und Fotos A.E.R., wenn nicht anders angegeben.
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Abbildung 1: Das Fossil des Monats Mai ist ein Kurzschwanzkrebs, eine Krabbe, aus dem Obereozän (Avesa-Kalk) der Veroneser Gegend: Harpactocarcinus punctulatus (DESMAREST, 1822). Avesa nördlich Verona. Schrägaufsicht auf Carapax und Scherenarme. Carapax-Breite 8 Zentimeter. Monatsfossil Mai: Meinen ersten Beleg eines Harpactocarcinus, einen isolierten Carapax, erhielt ich im Zuge eines Fossilientauschs mit der bekannten Firma Geological Enterprises in Ardmore/Oklahoma. Der Besitzer dieser bedeutenden Fossilien-Handlung war damals Allen Graffham (1918-2009) und mit ihm hatte ich die Ehre dieser Geschäfts-Beziehung. Der Panzer war kein Glanzstück, für mich aber damals, in den frühen Jahren meines Sammelns, dennoch etwas Besonderes – ein Krebs! Witzig dabei war, dass dieses Fossil bei Verona gesammelt worden war, dann direkt oder über Umwege nach Ardmore ging und schließlich zu mir nach Deutschland. Abbildungen 2 bis 4: Porträt-Bilder der Krabbe. Gut zu erkennen die Carapax-Zähnelung und die Mandibeln. Mittlerweile besitze ich mehrere Exemplare der Art, darunter das hier gezeigte 1988 von einem italienischen Freund erhaltene Stück. Es stammt von Avesa unmittelbar nördlich Veronas, Region Venetien/Norditalien. Der Erstbeschreiber der Art Harpactocarcinus punctulatus war Anselm Gaëtan Desmarest (1784-1838), der diesem Dekapoden in seiner „Histoire naturelle des Crustacés fossiles“ von 1822 (übrigens die erste Monographie über fossile Krebse) den Namen Cancer punctulatus gab. Bekannt waren solche Fundstücke aus dem Obereozän der Veroneser Gegend bereits seit den späten Jahren des achtzehnten Jahrhunderts. 1862 stellte A. Milne-Edwards die Art dann in seine neu errichtete Gattung Harpactocarcinus.
Abbildung 5: Das bei Alphonse Milne-Edwards abgebildete Exemplar, mit untergeklappten Scherenarmen und Beinen (Monographie des crustacés de la famille cancériens, 1862-65). Die Gattung Harpactocarcinus gehört zur Familie der Zanthopsidae innerhalb der Decapoda (Zehnfüßer). Im Eozän besiedelten deren Vertreter Schelfbereiche des offenen Meeres unterhalb der von Wellen beeinflussten Zone, mit weiter Verbreitung vor allem in der Tethys. Die Ausbildung des vorderen Carapax-Randes ist vermutlich artspezifisch. Zwischen dem glatten Rand von Harpactocarcinus bittneri und dem feingezähnelten Rand von H. punctulatus gibt es allerdings alle Übergänge. Die von Desmarest errichtete Art Harpactocarcinopsis quadrilobatus (der „Vierlappige“) mit vier Zähnen im Carapax-Randzentrum findet (fand) man z.B. im Helvetikum am bayerischen Alpennordrand, am Kressenberg und bei Adelholzen.
Abbildungen 6 und 7: Zwei Ansichten der Carapax-Oberseite. Abbildung 8: Der rezente Kurzschwanzkrebs Cancer bellianus JOHNSTON, 1861), ausgestellt im Musée d'Histoire naturelle in La Rochelle. Cancer ist eine Krabbengattung aus der Familie der Taschenkrebse (Cancridae). Die Arten dieser Gattung sind im Pazifik und Atlantik verbreitet. Zu ihr gehört auch der bekannte Taschenkrebs (Cancer pagurus LINNÉ, 1758) aus der Nordsee. Foto Jebulon; via Wikipedia. Die Exemplare dieser Art haben eine interessante Präparations-Geschichte: Die Sammlungsstücke der Art waren erst einmal Carapaxe ohne oder im positiven Fall auch mit dem Scherenpaar, meist auch mit den Mandibeln, den Fress-Werkzeugen. In den 1970er Jahren tauchten dann mit zunehmender Häufigkeit Stücke auf, die einige oder gar alle 10 Beine hatten. Sie saßen attraktiv auf Gestein, der Carapax abgehoben, die Beinchen elegant gespreizt, manchmal korrekt, manchmal falsch montiert. Nur ein ganz geringer Bruchteil dieser Fossilien war authentisch und so aus dem Stein freipräpariert worden. Bei den allermeisten aber handelt es sich um Montagen – die Präparate wurden aus den Teilen verschiedener Exemplare zusammengesetzt. Es gibt hier wie dort wohl auch komplett im Stein liegende Exemplare, mit Beinen und Scheren in situ, deren präparative Freilegung allerdings viel Zeit und höchste Sorgfalt verlangt. Die Beine würden jedoch niemals so im Gestein stecken – nach dem Tod der Krabbe wurden sie sicher nicht in dieser Lage eingebettet. In der Regel findet man jedenfalls isolierte Carapaxe, Scheren- und Beinteile. Dies allerdings offenbar in so großer Zahl, dass die Reichhaltigkeit der Funde die Montage kompletter Krabben ermöglicht, fast in Serienanfertigung. Die Sammler in der Gegend legen regelrechte „Ersatzteil-Lager“ an und können dann beim Präparieren und Montieren auf ihre Bestände zurück greifen. Entsprechend werden von den dortigen Sammlern/Präparatoren „komplette“ Krabben erstellt, mit Geschick und mehr oder weniger Fachkenntnis. Ein Exemplar mit Scherenarmen und unterklappten Beinen bildet Milne-Edwards ab, wobei an diesem Stück wohl nicht viel präpariert wurde, es vielmehr mit einigen glücklichen Schlägen frei geklopft worden ist. In Europa und weltweit gibt es verschiedene Brachyuren-Fundorte, aber komplette Exemplare mit Scherenarmen und Beinen sind überall extrem selten. Berühmt sind z.B. die Lagerstätten von Südspanien (Provinz Alicante), der Umgebung von Barcelona (Nordostspanien) und der Umgebung von Verona. Die Herkunft der eozänen Krabben von „Verona“ ist sicherlich auf mehrere Lokalitäten verteilt. Man hört von verschiedenen Fundorten, von „Monte-Baldo-Steinbruch“ bis ganz allgemein „Verona“. Das hier gezeigte Exemplar stammt nach Angabe des Verkäufers von „Avesa“, einem 4000-Einwohner-Städtchen unmittelbar im Norden von Verona. Ich erhielt es am 2. April 1988. Die abgebildete Krabbe ist eine eher anspruchslose Fertigung, wurden doch nur die beiden Scherenarme eingesetzt, sehr viel prächtiger und aufwändiger sind die Krabben mit „angebauten“ Beinen. Alle derartig montierten Krabben wurden auf Kalkstein, dem Avisa-Kalk, aufgesetzt, was insofern erfreulich ist, als die Fossilien ja genau in diesem Kalk gefunden werden. Auch in vielen Instituts- und Museums-Sammlungen liegen solche aus Einzelteilen zusammengefügte „komplette“ Krabben. Im Zusammenhang mit diesem Kurzschwanzkrebs eine weitere kleine Geschichte: Ein Bekannter war im Rahmen einer Geologie-Exkursion in die Veroneser Gegend (Venetien, Norditalien) unterwegs. Dabei berührte die Gruppe einen Tagesaufschluss, ich glaube, es war eine Straßenbaustelle, in dessen Gestein die Krabben der Art Harpactocarcinus punctulatus recht zahlreich vorkamen. Mein Bekannter und sein Freund setzten kurzerhand die weitere Exkursions-Teilnahme aus und verbrachten den Rest der verfügbaren Zeit an der Fossilfundstelle. Und es lohnte sich! Auf jeden Fall hatten die beiden auf Jahren hinaus keinen Mangel an Präparations-Rohlingen... Zum Anschauen, wenn Sie mal bei Verona Krabben sammeln!
Abbildung 9: Und nun nach Verona. Das an der Etsch in der Lungadige Porta Vittoria, 9, liegende „Museo Storia Naturale“ ist gut ausgeschildert.
Abbildung 10: Eingangshalle des Museums im schönen Renaissance-Palast „Pompei“.
Abbildung 11: Blick in den Bolca-Saal.
Abbildung 12: Und nach dem Musuem zur Arena. Unsere Tochter Melanie vor einer Pizza – wir waren alle hungrig vom Bummeln in der Stadt. Und wir mussten uns stärken für den Besuch von „Rigoletto“ in der Arena... Foto September 2013.
Abbildung 13: Die Arena in der Abendsonne – wunderbar! Wenn Sie einmal in der Gegend sind, lassen Sie sich reichlich Zeit auch für den Besuch von Verona. Die Stadt ist wunderbar, von der Etsch bis zur Arena – so viel zu sehen! Und für uns Naturfreunde ist natürlich ein ausgiebiger Besuch des Museo civico di Storia Naturale im Palazzo Pompei unerlässlich. Es liegt unmittelbar an der Etsch beim Ponte Navi. Dort im Museum gibt es vor allem reichlich Fossilien (natürlich ganz prominent Bolca), aber auch Sammlungen zu Mineralogie, Geologie, Botanik, Zoologie und Volkskunde. Text, Sammlung und Fotos A.E.R., wenn nicht anders angegeben.
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Abbildungen 1 und 2: Ein Altsammlungs-Stück (cf. Hydrocephalus rotundatus (BARRANDE, 1846) aus den Schichten des Mittelkambrium (Eccaparadoxides-pusillus-Zone) von Skryje Luh. Das Etikett stammt vermutlich noch aus Barrandes Zeit. Monatsfossilien April: Die berühmtesten böhmischen Trilobiten sind wohl die Exemplare der großwüchsigen „Sammelgattung“ Paradoxides. Sie liegen dort in den Schichten der Jince-Formation des Mittelkambrium und waren/sind begehrte Sammlungsstücke. Wenn man in den Fundorten bei Jince (früher zu Deutsch Jinetz, Ginetz) wenig nördlich von Príbram sammelte, konnte man neben den zahlreichen Stücken der Art Ellipsocephalus hoffi (manchmal nestartig angereichert) auch Paradoxides finden, meist Fragmente, manchmal auch mehr oder weniger komplette Stücke. Jince liegt im durch das Waldgebiet des Brdy verlaufenden Tal der Litavka wenig nördlich von Príbram und rund 45 Kilometer südwestlich von Prag. Angeblich liegen die „guten“ Grabungsstellen in einem Truppenübungs-Gebiet, dessen Betreten verboten ist.
Abbildung 3: Cephalon-Fragment eines Trilobiten der Art ?Hydrocephalus carens (BARRANDE, 1846) (juvenil). Messbare Breite 1,3 Zentimeter.
Abbildung 4: Ein weiteres Cephalon-Fragment eines großen Paradoxiden (cf. Hydrocephalus carens (BARRANDE, 1846), ebenfalls ein Altsammlungs-Stück. Jince. Gestein etwa 6 Zentimeter.
Abbildung 5: Freiwange eines großen Trilobiten [cf. Hydrocephalus rotundatus (BARRANDE, 1846)]. Länge 5,3 Zentimeter. Sie erinnert sehr an das Bat'leth der Klingonen – das war mal ein Rätsel im Leitfossil. – Damalige Frage zum Bild: „Und die Frage lautet: An was erinnert mich (und vielleicht auch Sie?) das Fossil auf dieser Abbildung? Es sieht für mich aus wie eine relikthafte (etwa ein Drittel) Waffe eines berühmten kriegerischen Stammes eines Parallel-Universums, getragen von einer legendären Figur aus dieser unendlichen Geschichte. Ich würde mal sagen – man weiß es oder man weiß es nicht. Ich bin sehr gespannt!“
Abbildung 6: Einer meiner wenigen einigermaßen vollständigen Paradoxiden. Er stammt aus den Jince-Lagerstätten, aus den Schichten der unteren Jince-Formation (Eccaparadoxides-pusillus-Zone; Mittelkambrium). Länge etwa 8 Zentimeter. Er gehört vermutlich zur Art Hydrocephalus rotundatus (BARRANDE, 1846).
Abbildungen 7 und 8: Zwei Exemplare der Art Paradoxides gracilis (BOECK, 1827) (syn. Paradoxites bohemicus (BOECK, 1827) Mittelkambrium, untere Jince-Formation; Paradoxides-pusillus-Zone). Je etwa 8 Zentimeter. Sammlung und Fotograf unbekannt. Ein aus Böhmen oft genannter exakterer Fundort ist Rejkovice. Die bei Rejkovice weitflächig anstehenden fossilreichen Schichten sind berühmt für die relativ vielen teils großwüchsigen Paradoxiden.
Abbildungen 9 bis 11: Der hier gezeigte Trilobit ist ein jugendliches Exemplar der Art Eccaparadoxides pusillus (BARRANDE, 1846). Die Art wurde errichtet als Paradoxites pusillus auf der Basis eines Cranidiums, abgebildet mit den Figuren 14 und 15 auf Tafel 13 in Barrandes „Systême Silurien…“. Sie wurde von Snajdr 1958 in die Gattung Eccaparadoxides transferiert. Der Trilobit ist das Leitfossil der Eccaparadoxides-pusillus-Zone. Er stammt aus Rejkovice, aus den Schichten der Jince-Formation (Mittelkambrium, untere Jince-Formation; Paradoxides-pusillus-Zone). Typus-Lokalität der Art ist die legendäre Fundstelle „Pod hruskou“ („Unter dem Birnbaum“) bei Tyrovice (Böhmen), die auch berühmt wurde wegen des Vorkommens aufeinander folgender Entwicklungs-Stadien des Trilobiten Sao hirsuta BARRANDE, 1846. Auch in Skryje Luh oberhalb der Berounka, einem der berühmtesten Fundorte für mittelkambrische Fossilien im Barrandium seit Joachim Barrande, gab es Paradoxides-Reste und früher auch „Ganze“. Komplette Exemplare sind heutzutage extrem selten, aber als man noch abbauen konnte wie zu Barrandes Zeiten, muss es phantastische Fossilien gegeben haben. Die Lokalität hat aus Wissenschafts-historischen Gründen eine ganz besondere Stellung: Hier lernte Joachim Barrande (1799-1883) im Jahre 1833 seine ersten gut erhaltenen Trilobiten kennen, war fasziniert und begeistert und widmete sich fortan dem Studium der Fossilien in der Umgebung von Prag, in dessen Folge berühmte Publikation entstanden wie z.B. „Nouveaux Trilobites de Bohème“ (1846), „Notice préliminaire sur le système Silurien et les Trilobites de Bohème“ (1846), „Graptolytes de Bohème“ (1850) und „Système silurien du Centre de la Bohème“ (sein bedeutendstes Werk; 1852–1881, 21 Bände). Nach Barrandes Tod wurde die Untersuchung der Fossillagerstätte von Jan Kušta, Karel Feistmantel, Jaroslav Jiljí Jahn und Radim Kettner fortgesetzt. Die Fossilien des Kambrium bezeichnete Barrande als „Primordiale Fauna“.
Abbildung 12: Der Fundort Skryje Luh war schon damals (Foto 1988) nur noch eine Halde den Berg hinab zur Berounka unmittelbar bei der Brücke, unterhalb des Dörfchens Skryje nad Berounkou. Erschlossen sind dort Schichten der Jince-Formation (Eccaparadoxides-pusillus-Zone). Die vielen aufgeschlagenen Steine und Steinchen zeugen vom Fleiß mehrerer Generationen von Sammlern. Man hätte mit schwerem Werkzeug ans Anstehende gehen müssen, aber das ist aus Gründen des Naturschutzes streng verboten - die hiesigen Lagerstätten sind ein nationales Natur-Denkmal. Also begnügt man sich mit Umdrehen und Spalten. Und dabei kommt immer Interessantes zu Tage.
Abbildung 13: „Natural-Monument“: Das Kambrium von Skryjsko-týrovické z.B. bei Hrebecníky, Skryje nad Berounkou und Týrovice nad Berounkou im Rakovník-District Böhmens. Man sieht Anstehendes und am Hangfuß viele Scherben. Foto Huhulenik; via Wikipedia.
Abbildung 14: Handstück mit Exuvien-Resten eines großen paradoxiden Trilobiten; Gestein etwa 16 x 10 Zentimeter, mit rotbraunem Eisenhydroxid-Überzug. Es handelt sich um das auseinander gefallene Exuvium eines großen Paradoxiden. Man sieht eine relikthafte Glabella, Thorakal-Segmente und Wangenstacheln. Ex Coll. Hans Quäsching.
Abbildungen 15 und 16: Fossil aus einer Altsammlung, etikettiert vor 1900. Es handelt sich um Pygidium und Thorax-Teile vermutlich von Hydrocephalus carens BARRANDE, 1852. Skryje Luh; Jince-Formation (Eccaparadoxides-pusillus-Zone). Auf die Stelle bei Skryje und auch auf die Lokalität Týrovice nad Berounkou war Barrande bei Untersuchungs-Arbeiten zur Einrichtung einer Pferdebahn zwischen Kladno und Pilsen gestoßen. Den Auftrag zu dieser ingenieurtechnischen Prospektion hatte er vom berühmten Kaspar Maria Graf Sternberg (1761-1838) erhalten, einem engagierten Paläobotaniker und Gründer des Vaterländischen Museums des Königreichs Böhmen in Prag (heute Nationalmuseum). Ein weiterer berühmter Fundort war Tyrovice. Der Fundort liegt am rechten Ufer eines unbenannten Baches etwa einen Kilometer westlich des Dorfes Rejkovice. Zu Paradoxides Und jetzt etwas Lexikalisches, dessen Durchsicht hoffentlich den Trilobiten-Liebhabern helfen wird, für alle anderen wird es strohtrocken sein. Die Taxonomie wird hier wiedergegeben nach der Zweitauflage des „Treatise“ von 1997. Paradoxides ist eine frühere „Sammelgattung“, die heute zusammen mit der Gattung Centropleura in der Familie Paradoxididae steht (Oberfamilie Paradoxidoidea, Unterordnung Redlichiina, Ordnung Redlichiida). Heute ist Paradoxites gesplittet in mehrere Gattungen. Familie Paradoxididae Paradoxides. Mittleres Mittelkambrium bis oberes Mittelkambrium. Tschechien, England, Wales, Schweden, Norwegen, Dänemark, Kanada, USA, Russland. - Beispiele: Paradoxides paradoxissimus (WAHLENBERG, 1818, mittleres Mittelkambrium; Paradoxides gracilis (BOECK, 1827), mittleres Mittelkambrium; Jince-Formation. Jince, Tschechien Familie Centropleuridae Centropleura Joachim Barrande (1799–1883)
Abbildungen 17 und 18: Porträt-Büste von Joachim Barrande, in eine Steinsäule gemeißelt (leider kein paläozoischer Kalk, sondern ein Tiefengestein) vom Bildhauer M. V. Dobrovolný. Sie wurde 1969 eingeweiht anlässlich des 23sten Internationalen geologischen Kongresses. Foto Jirí Sedlácek; via Wikipedia. – Rechts ein Porträt Barrandes, publiziert am 27. Oktober 1883 in einem Nachruf.
Abbildung 19: Titelblatt des „Systême Silurien…“ von 1852, Barrandes wichtigstes Werk.
Abbildung 20: Tafel 3 aus Barrandes epochalem Werk (Supplement 2) über die Fossilien Böhmens - „Systême Silurien…“ mit einem großen Paradoxiden.
Abbildung 21: Zumeist adulte oder knapp subadulte Paradoxiden aus dem „Systême Silurien…“.
Abbildung 22: Weitere Paradoxiden aus dem „Systême Silurien…“.
Abbildung 23: Paradoxiden; die Abbildung 10 stammt aus Hawle & Corda: Zum Anschauen Wenn man mal dort in der Gegend unterwegs ist, sollte man auch in das Dörfchen Skryje nad Berounkou auf der Hochfläche oberhalb der Berounka fahren. Hier gibt es unweit des Museums eine eindrucksvolle Porträt-Büste von Joachim Barrande, in eine Steinsäule gemeißelt (leider kein kambrischer Kalk, sondern ein Tiefengestein) geschaffen vom Bildhauer M. V. Dobrovolný. Sie wurde 1969 eingeweiht anlässlich des 23sten Internationalen geologischen Kongresses. Dahinter steht die alte Schule, in der seit den 1950er Jahren ein kleines Museum besteht. Ausgestellt sind im Dachraum in einigen Tischvitrinen Fossilien, vor allem Trilobiten, und man erhält Informationen zur Geologie der Gegend und zu Joachim Barrande.
Abbildung 24: Im Museum im Dörfchen Skryje nad Berounkou: Raum mit den Vitrinen, in denen Fossilien vor allem aus dem Kambrium der Gegend ausgestellt sind. Die Menge ist überschaubar, aber es sind sehr schöne und interessante Fossilien. Foto Marie Ccheidzeová; via Wikipedia.
Abbildung 25: Sehr interessant ist z.B. diese stark vergrößerte Modellserie der Entwicklungs-Stadien (Ontogenese) von Sao hirsuta. Foto Leny Šmídová; via Wikipedia. Literatur-Hinweise: BARRANDE, J. (1852): Systême Silurien du Centre de la Bohême. - 1ère Partie: Recherches Paléontologiques. Vol. I: Planches. Crustacés: Trilobites. - 51 Taf., Addendum mit 9 S. – Prag. Text, Sammlung und Fotos A.E.R., wenn nicht anders angegeben.
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Abbildungen 1 und 2: Pleurotomaria constricta J. A. EUDES-DESLONGCHAMPS, 1849. Mitteljura; Sengenthal-Formation (Oberbajoc; Parkinsoni-Zone; Braunjura delta 3). Linkes Exemplar aus dem anstehenden Parkinsoni-Oolith des berühmten Steinbruches Sengenthal/Winnberg bei Neumarkt in der Oberpfalz. Fund 1991. Geschenk von Arrno Seubert. Maximal 10 Zentimeter. – Rechtes Exemplar aus der Sengenthal-Formation (Oberbajoc; Garantiana-/Parkinsoni-Zone; Braunjura delta 3). Haldenfund aus dem Tunnel-Abraum der ICE-Trasse, Deponie Heimbach südlich Greding, Fränkische Alb/Bayern. Höhe 9,5 Zentimeter. Geschenk von Walther F. Zenske. -
Monatsfossilien März: Mittlerer Mitteljura (Sengenthal-Formation; Oberbajoc) Frankens.
Ich habe diese beiden Pleurotomarien in meiner Sammlung und freue mich sehr darüber. Es sind zwar keine ausgesprochenen Riesen, aber mit 9,5 und 10 Zentimeter doch ganz ordentlich groß. Ich bin sehr froh über die beiden schönen Belegstücke, wenn ich sie auch beide nicht selbst fand. Die Geschichten dazu erzähle ich weiter unten. Pleurotomaria, das ist ein Reizwort für den Fossiliensammler und auch für den Sammler rezenter Mollusken. Die Pleurotomarien oder „Schlitzband-Schnecken“ galten als ausgestorben, bis man sie ungefähr Mitte des vorvorigen Jahrhunderts (Fischer, P. & A. C. Bernardi, 1856 - Description d'un pleurotomarie vivant) in der Tiefsee der Karibik lebend entdeckte. In den jurassischen Meeresablagerungen Deutschlands finden sich die fossilen Gehäuse von Schlitzband-Schnecken relativ häufig, vor allem die kleineren Arten. So z.B. im Pliensbach (mittlerer Unterjura) Pleurotomaria amalthei QUENSTEDT, 1858.
Abbildung 3: Von einem Amaltheenton-Fundort (Unterjura; Pliensbach) in der Nähe von Bad Boll stammt dieses zwar nicht perfekt erhaltene, aber dennoch schöne Belegstück einer Schnecke der Pleurotomarien-Gruppe: Pleurotomaria amalthei QUENSTEDT, 1858. Quenstedt schreibt im „Jura“ auf S. 191: „Man sollte nicht meinen, daß über die schönste [sic!] aller deutschen Pleurotomarien noch eine solche Verwirrung herrscht. Dieses endlich einmal abzuschneiden schlage ich obigen Namen vor.“ Er errichtete also die Art Pleurotomaria amalthei. Größter Durchmesser 5,3 Zentimeter. Entsprechende Stücke waren/sind in der Buttenheimer Tongrube relativ häufig. Vor allem im Bajoc und höher kommen auch die prachtvollen großen Pleurotomarien wie die hier ganz oben und im Folgenden gezeigten vor. Das kegelförmige Gehäuse aller Pleurotomarien trägt an der Außenseite der letzten Windung einen Schlitz (Analsinus), weshalb sie auch als „Schlitzband-Schnecken“ bezeichnet werden. Dieser Schlitz tritt nur bei altertümlichen Schnecken (Archaeogastropoda) auf und liegt im oberen Bereich der Außenlippe.
Abbildungen 4 und 5: Bayerotrochus teramachii (KURODA, 1955) (Pleurotomaria, Perotrochus). Gefischt 2008 bei Taiwan aus 200 bis 300 Meter Wassertiefe. Ansicht von unten und leicht gekippte Lateral-Ansicht. Durchmesser 12,2 Zentimeter. Mögliche Maximalgröße der Art etwa 15 Zentimeter. Die heute lebenden Vertreter der Schlitzband-Schnecken (Familie Pleurotomariidae) sind Überlebende einer einst weit verbreiteten Superfamilie urtümlicher im Meer lebender Schnecken. Ihre Blütezeit lag im Erdaltertum (Oberkambrium bis Perm, vor ca. 500 - 245 Millionen Jahren) mit etwa 1500 Arten. Nach einem Engpass in Oberperm - Untertrias folgte eine weitere Blütezeit, mit nachfolgendem ständigem Rückgang und schließlich mit einer nach der Kreide-Tertiär-Wende drastischen Reduzierung auf wenige Gattungen. In der Erdneuzeit stellen die Pleurotomarien nur noch ein Relikt dar. Heute sind noch knapp 30 lebende Arten bekannt, die sich auf mehrere Gattungen innerhalb der Familie Pleurotomariidae verteilen (nach Anseuw & Goto, 1996 - The living Pleurotomariidae). Die rezenten Formen treten auf im Nordwestpazifik von Japan bis zur Südchinesischen See, bei Indonesien und den Philippinen, zwischen den Fiji-Inseln und vor der Nordwest-Küste Australiens, in der Karibik und bei Südafrika. Sie leben in Wassertiefen zwischen 180 bis 500 Metern, meist unter 200 Metern und ernähren sich hauptsächlich von Meeresschwämmen und Manteltieren. Alle rezenten Vertreter der Familie Pleurodomariidae besitzen ein horniges Operculum. Dieses rundliche Operculum ist multispiral gewunden, durchscheinend, von hellbrauner Farbe; es besteht aus Chitin. Die großwüchsigste rezente Art ist Pleurotomaria rumphii (SCHEPMAN, 1879) – die Gehäuse können bis knapp 20 Zentimeter erreichen. Die gleiche Größe können in etwa auch die fossilen Formen haben. Gut erhaltene Gehäuse der rezenten Pleurotomarien sind (immer noch) gesuchte, sehr seltene Sammelobjekte, die aber, bis auf ein paar kleinere, häufigere Arten immer noch recht teuer sind (nur Zufallsfunde als Beifang der Tiefsee-Fischerei und sehr zerbrechliche, dünne Gehäuse, was die Bergung gut erhaltener Gehäuse beim Schleppnetz-Fang selten macht).
Pleurotomaria constricta J. A. EUDES-DESLONGCHAMPS, 1849.
Abbildung 6: Tafel 372 aus der Revision von Alcide d'Orbignys „Gastropodes jurassiques“, mit der Darstellung von Pleurotomaria constricta. Die Abbildung der Schnecken wurde in den alten in Frankreich erschienenen Tafelwerken generell mit Mündung oben ausgeführt, abweichend vom Usus in allen anderen Ländern.
Abbildungen 7 bis 10: Die Sengenthal-Schnecke in zwei Schräg-Ansichten und in zwei Ansichten von der Basis und von der Spitze. Der weiße Aufwuchs auf der Basis ist vielleicht eine glattpräparierte (ich war es nicht...) Bryozoenkolonie oder ein sonstiges UFO. Ich nutzte die Fläche zum Aufschreiben der Eingangsnummer: 27-09-91/4.
Abbildungen 11 bis 13: Pleurotomaria constricta J. A. EUDES-DESLONGCHAMPS, 1849, in drei Ansichten. Dieses Exemplar aus der Sengenthal-Formation (Oberbajoc; Garantiana-/Parkinsoni-Zone; Braunjura delta 3) ist ein Haldenfund aus dem Tunnel-Abraum der ICE-Trasse, Deponie Heimbach südlich Greding, Fränkische Alb/Bayern. Maximal 9,5 Zentimeter. Geschenk von Walther F. Zenske – danke vielmals! Pleurotomarien sind auch für Fossiliensammler etwas ganz Besonderes. Sie treten über einen beachtlichen Zeitraum auf - die Familie ist seit der Trias bekannt und auch rezent gut vertreten - und sie stellt vor allem im Jura die größten Schnecken. Im Unter- und Mitteljura kommen nicht selten Exemplare mit prachtvoller Schalenerhaltung vor, im Oberjura Mitteleuropas handelt es sich dann zwar meist "nur" um Steinkerne, aber eben große Steinkerne - bis über 15 Zentimeter. Schöne Funde liefern immer wieder die Unter- und Mitteljuraschichten der Frankenalb und der Mitteljura des Calvados und auch Südenglands. Auch in Polen gibt es schöne Jura-Exemplare. In den letzten Jahren kamen auch interessante Pleurotomarien aus dem Callov und Oxford aus Madagaskar auf den Merkt. Der berühmteste deutsche Fundort war früher Sengenthal/Winnberg bei Neumarkt in der Oberpfalz. Man musste ganz schön abbauen (und das ist harte Arbeit!), bis endlich mal eine Pleurotomaria ansehnlicher Größe ausgebuddelt war. Entsprechend der Seltenheit guter Stücke stellen die Pleurotomarien also immer gesuchte Besonderheiten dar. Schon lange ist der "klassische" Fundort der Tunneldeponie bei Kinding (unweit Greding) zum berühmtesten, wenn auch nur relativ kurzzeitigen Pleurotomarien-Fundort aufgerückt - dem Hörensagen nach sollen dort viele große und phantastisch erhaltene Exemplare gefunden worden sein. Ich fand leider keines, aber... Hierzu zwei kleine Geschichten, wie ich an meine beiden Pleurotomarien kam. Bei einer Begehung des Sengenthaler Steinbruchs im Jahr 1991 entdeckte ein Sammler das abgebildete aus dem Parkinsoni-Oolith ragende Fossil. Der erste um Bestimmungshilfe gefragte Sammler sagte "Muschel", ich war der Meinung, es handle sich um einen Nautilus. Doch nichts davon - es war eine große Pleurotomaria! Das frei gelegte Exemplar wurde etwas vergrößert in das Foto eingeblendet, so wie es im Gestein steckte. Und die Geschichte geht weiter: Der Finder trennte sich nach kurzer Zeit von der Schnecke, einer Pleurotomaria armata MUENSTER (9,5 Zentimeter). Mein Freund Arno Seubert kaufte sie ihm ab und schenkte sie mir. Nochmals ganz herzlichen Dank!
Abbildungen 14 und 15: Bild oben: Bei einer Begehung des Sengenthaler Steinbruchs im Jahr 1991 entdeckte ein Sammler das auf dem Bild sichtbare aus dem Parkinsoni-Oolith ragende Fossil-Teil. Der erste nach seiner Meinung gefragte Kollege sagte "Muschel", andere waren anderer Meinung; ich glaubte, es handle sich um einen Nautilus. Doch nichts davon - es war eine große Pleurotomaria! Das frei gelegte Exemplar wurde etwas vergrößert in das Foto eingeblendet, so wie es im Gestein steckte. Das untere Bild zeigt rechts die präparierte Schnecke der Art Pleurotomaria constricta J. A. EUDES-DESLONGCHAMPS, 1849; links daneben einen Bayerotrochus teramachii (KURODA, 1955). Das zweite der hier gezeigten Exemplare hat ebenfalls eine hübsche Fundgeschichte. Beim Bau einer ersten Tunnelröhre der ICE-Trasse ab 1995 wurde das Aushubmaterial auf einer großen Deponie bei Heimbach gelagert. Es fielen vor allem reichlich Gesteine des Eisensandsteins an (Braunjura beta), aber auch jüngere Braunjura-Schichten wie Braunjura delta. Vor allem der Braunjura delta 3 (Garantiana-/Parkinsoni-Schichten) war wie üblich auf der Frankenalb fossilreich ausgebildet. Es gab reichlich Ammoniten, Muscheln, Schnecken, Belemniten und Brachiopoden. Im August des Jahres 1996 war ich mit einer Gruppe zum Sammeln dort auf der Deponie. Wir fanden gut, das Übliche halt. Ich untersuchte den über mir aufsteigenden Hang, derweilen mein Freund Walther Zenske "schmarrenderweise" (er redet gern) die Haldenböschung von oben zu mir herabstieg, dabei natürlich auch immer Ausschau haltend nach Fossilien. Wenig über mir - es war wohl wenig mehr als ein Meter - verhielt er, bückte sich, hob einen Brocken auf und rief: "Na schau mal an!". Und zeigte mir eine Pleurotomaria von rund 9 Zentimeter Größe, wohl noch gesteinsumgeben, also nur zum geringen Teil frei, aber doch als gut erhalten erkennbar. Einen Meter weiter rauf, dachte ich, nur einen Meter! Bewunderung von mir, von allen Seiten! Glückwünsche! Jubel! Und mein guter Walther überlegte eine Weile - nicht lang - und übergab mir dann die Schnecke - "Du kannst das besser präparieren." Wenig später hätte er das nicht mehr gesagt, da war er ein guter Präparator geworden. Walther, nochmals ganz herzlichen Dank! Die Schnecke, zeitnah von mir (hoffentlich wirklich besser) präpariert, ist eines der Prunkstücke meiner Sammlung. Literatur-Hinweise: ANSEUW, P. & GOTO, Y. (1996): The Living Pleurotomariidae. 202 S. und Abb. - Elle Scientific Publications, Osaka.
Abbildung 16: Die Sengenthal-Schnecke, eine rezente Pleurotomaria und die Heimbach-Schnecke, vereint auf einem Gruppenbild. Text, Sammlung und Fotos A.E.R.
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Abbildungen 1 und 2: Buchdeckel mit eingeblendeter Titelseite der deutschen Ausgabe der „Palaeaden“.
Monatsfossilien Februar: Die Monatsfossilien sind diesmal ideelle Objekte, nämlich Abbildungen von Fossilien in einem Buch. Ich zeige Ausschnitte aus diesem Buch, das schon fast eine Reliquie ist, jedenfalls für die Trilobitensammler und die Bibliophilen. Ich spreche vom Werk des Schweden Johan Wilhelm Dalman „Über die Palaeaden oder die sogenannten Trilobiten“. Das ist ein paläontologisches Frühwerk, im schwedischen Original 1827 („Om Palaeaderna eller de så kallade Trilobiterna“) und in deutscher Übersetzung 1828 erschienen. Dalman setzt sich im Buch mit der vielfältigen seinerzeitigen Problematik der Trilobiten auseinander, von Nomenklatur und Terminologie bis zu einem Verzeichnis der Schriftsteller, welche über die Palaeaden geschrieben hatten (siehe Inhaltsverzeichnis, Abbildung 5). Und er gibt sechs Kupferstich-Tafeln mit technisch ausgezeichneten Abbildungen der behandelten Trilobiten. Der beschreibende Text auf den hier nicht wiedergegebenen Beschreibungen der Trilobiten (Seiten 30 bis 77) ist weitgehend in lateinischer Schrift und deshalb für uns wenig hilfreich. Johan Wilhelm Dalman (1787-1828) war ein auch intensiv entomologisch tätiger schwedischer Naturforscher, Arzt und Jurist. Über ihn ist allerdings nur wenig bekannt, so gut wie gar nichts über sein Privatleben. Er wurde nur 41 Jahre alt. Seine schulische Ausbildung erhielt er im Institut von Christiansfeld im damaligen Herzogtum Schleswig. Ab 1803 studierte er an der Universität in Lund, wo er 1805 sein Jura-Examen ablegte. Angeregt durch die Vorlesungen von Anders Jahan Retzius und Carl Fredrik Fallén sowie durch seine Bekanntschaft zum Entomologen Leonard Gyllenhaal wechselte er die Studienrichtung in Richtung Naturwissenschaften und promovierte 1817 in Uppsala zum Doktor der Medizin. Es folgte eine Anstellung an der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften und ab 1819 Vorlesungstätigkeit am Karolinska-Institut in Stockholm. Im Jahr 1824 wurde er zum ordentlichen Professor ernannt. Zu Dalmans Ehren wurden zahlreiche Tiere, Pflanzen und Fossilien benannt. Der bekannteste Name dürfte Dalmanites sein, eine Trilobiten-Gattung der Phacopida.
Abbildung 3: Ehrenmedaille in memoriam Johan Wilhelm Dalman; nach einem Entwurf von Lea Ahlborn aus dem Jahre 1860. Abbildungen 4 bis 8: Titelseite, Inhaltsverzeichnis und allgemeine Einleitung (5 Seiten).
Abbildungen 9 bis 13: Dalmans Überlegungen zur Nomenklatur der Trilobiten. Abbildungen 14 bis 19: Die sechs Kupfertafeln mit der Darstellung einer Auswahl von Trilobiten. Die technische Qualität der Darstellungen ist hervorragend.
Abbildung 20: Der schwedische „Trilobiten-Urmeter“: Ein eingerolltes Exemplar der Art Asaphus expansus (WAHLENBERG, 1821) („Entomostracites expansus“). In Schalenfarbe und Qualität der Erhaltung stehen die Schweden den Sankt-Petersburger Trilobiten nicht nach. Unterordoviz; Göta-Kanal bei Ljungsbro NW Linköping/Südschweden. Maximale Breite 2,9 cm. Gesammelt 1995. Sammlung Armin Neumann.
Abbildung 21 und 22: Dalmans Darstellungen von Asaphus expansus auf seiner Tafel 3 (Figuren 3 a – d). Figur 4 zeigt „Asaphus expansus var. beta – raniceps“. Darunter die Legenden zu den Figuren.
Abbildungen 23 und 24: Asaphus expansus (WAHLENBERG, 1821). Unterordoviz (oberes Arenig bis unteres Llanvirn; Expansus-Lager). Steinbruch bei Ljungsbro, Östergötland/Schweden. Schrägaufsicht, Porträt und Draufsicht. Steinkern mit weitgehend erhaltenem Panzer. Der Trilobit liegt leicht geknickt auf dem Gestein. Maximal 5,7 Zentimeter. Abbildungen 25 und 26: Die beiden Legendenseiten zu den Tafeln 1 bis 6. Abbildung 27: Dalmanites limulurus (GREEN, 1832) aus dem Silur von New York/USA. Foto DanielCD; via Wikipedia. Text, Sammlung und Fotos A.E.R., wenn nicht anders angegeben.
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Abbildung 1: Craspedites [„Trautscholdiceras“] cf. mosquensis GERASIMOV, 1969. Oberjura; oberes Oberwolga (untere Craspedites-nodiger-Zone). Fundort vermutlich Tcheremukha-Fluss, Oblast Jaroslawl (Zentral-Russland) rund 300 Kilometer nordöstlich von Moskau. Der gesamte äußere Umgang gehört zur Wohnkammer.
Monatsfossilien Januar: Oberer Oberjura (Tithon = Wolga-Stufe).
Als damals - etwa vor einem drittel Jahrhundert - die ersten Fossilien aus Russland zu uns kamen, waren wir Fossiliensammler natürlich sehr gespannt, was da geboten werden würde. Ich hoffte (und wurde auch nicht enttäuscht) auf Ammoniten aus der oberen Wolgastufe, international ins Tithon gehörend (Oberjura). Ich kenne die jüngsten Juraschichten Deutschlands von den Neuburger Bankkalken her, die allerdings eine weitestgehend andere Faunen-Zusammensetzung als die russischen haben. Die Neuburg-Formation wird gegliedert in die Schichten der Unterhausener Schichten (im Liegenden) und die Oberhausener Schichten. Die Korrelation zwischen dem borealen Jura (Russland), dem süddeutschen Jura und dem mediterranen Jura ist wohl noch nicht endgültig geklärt. Jedenfalls, es kamen reichlich Ammoniten des obersten Oberjura aus Russland zu uns. Vor allem waren es Ammoniten aus der mitteltithonischen Virgatiten-Fauna, aber auch andere bei uns ebenso wenig bekannte Ammoniten z.B. der Gattung Virgatites oder auch Vertreter teils für uns recht exotischer Gattungen wie Craspedites, Subcraspedites, Kashpurites, Garniericeras, Pavlovia, Paraulacosphinctes usw. usw. aus den obersten Juraschichten, der „Wolga-Stufe“, also dem Tithon. Diese Schichten bilden die jüngsten Jura-Ablagerungen auf europäischem Boden. Ich zeige Ihnen einige Ammoniten der Gattungen Craspedites und Garniericeras, die nach aktueller Biostratigraphie in die Schichten der oberen Wolga-Formation gestellt werden. Die Garniericeraten treten unmittelbar über dem Craspedites-Komplex auf. Die perlmuttschaligen teils wunderbar irisierenden Ammoniten Nordamerikas sind zweifellos schön, aber es gibt auch anderswo solche schönen „schalenerhaltenen“ Ammoniten, z.B. in der Unterkreide Madagaskars, der Boulonnais-Küste und Bullys in Frankreich oder z.B. auch an gewissen Unterkreide-Fundstellen in Niedersachsen (z.B. Arpke bei Lehrte). In Russland finden sich viele Vorkommen solcher Ammoniten, u.a. in der Unterkreide des Wolga-Gebietes in der Gegend um Uljanowsk oder eben auch im oberen Oberjura Russlands. Mit zu den prächtigsten gehören die oberjurassischen Craspediten und die Garniericeraten. Sie treten bevorzugt in grünsandigem Glaukonit-Gestein auf. Craspedites (Familie Craspeditidae, Unterfamilie Craspeditinae). Oberste Wolga-Sufe und unterste Kreide. Die Gattung Craspedites wurde 1892 von Pavlow beschrieben. Die grundsätzlich kleinen Gehäuse (kaum mehr als 5 Zentimeter) sind involut; die Innenwindungen tragen feine Anwachsstreifen oder sind glatt; später entwickeln sich innen gebündelte Rippenstiele, mit klar erkennbaren vorgeschwungenen Einfachrippen. Venter immer gerundet. Bis zur Entdeckung der Art Craspedites sachsi (IGOLNIKOV, 2012) im Berrias (unterste Unterkreide) Russlands nahm man an, dass die Gattung auf das Oberwolga beschränkt sei. Die Gattung Craspedites ist mit einigen im Profil aufeinander folgenden Arten, die fast alle Leitwert haben und als Zonen-Leitformen dienen, in den Sedimenten im Bereich der Russischen und der Sibirischen Plattform sowie in Westsibirien vertreten, z.B. Craspedites nodiger, C. subditus, C. subditoides, C. mosquensis, C. taimyrensis, C. originalis, C. okensis, C. schulginae, C. parakachpuricus, C. kachpuricus, C. milkovensis, C. nekrassovi, C. fragilis. Die Fundstellen wird vermutlich keiner von uns kennen oder kennenlernen können, leider. Abbildungen 2 und 3 (oben): Craspedites [„Trautscholdiceras“] cf. mosquensis GERASIMOV, 1969. Oberjura; oberes Oberwolga (untere Craspedites-nodiger-Zone). Fundort vermutlich Tcheremukha-Fluss, Oblast Jaroslawl (Zentral-Russland) rund 300 Kilometer nordöstlich von Moskau. Der gesamte äußere Umgang gehört zur Wohnkammer. Wohl fehlt der größte Teil der Schale, aber sogar der Steinkern zeigt hier ein vor allem blaues Schimmern, übergehend je nach Lichteinfall in Rot- und Grüntöne - sagenhaft! Die Fotos geben nur einen unvollkommenen Eindruck von Farbe und Leuchtkraft des Ammoniten. Doch sie vermitteln immerhin einen Eindruck von der Schönheit dieser Ammoniten aus dem russischen Oberjura. Lateralansicht; Durchmesser 2,4 Zentimeter. Fotos und Sammlung A.E.R.
Abbildungen 4 und 5: Zwei Ansichten eines Exemplars der Art Craspedites cf. subditus (TRAUTSCHOLD, 1887). Oberjura; mittleres Oberwolga; Subditus-Zone. Undory, Oblast Uljanowsk (Zentral-Russland). Fotos via Wikipedia.
Abbildung 6: Craspedites cf. mosquensis GERASIMOV, 1969, Oberjura; oberes Oberwolga (untere Craspedites-nodiger-Zone). Man sieht sehr schön den Steinkern und die Schalenschichten. Auf glaukonitischer Matrix. Foto via Wikipedia.
Abbildung 7: Zwei Ammoniten der Art Craspedites cf. mosquensis GERASIMOV, 1969, auf glaukonitischer Matrix. Oberjura; oberes Oberwolga (untere Craspedites-nodiger-Zone). Naherholungs-Gebiet Fili Park an der Moskwa, westlich von Moskau. Breite des Stufe etwa 8 Zentimeter. Foto und Sammlung A.E.R.
Abbildungen 8 und 9: Craspedites cf. mosquensis GERASIMOV, 1969, auf glaukonitischer Matrix. Oberjura; oberes Oberwolga (untere Craspedites-nodiger-Zone). Naherholungs-Gebiet Fili Park an der Moskwa, westlich von Moskau. Steinkern-Erhaltung mit teilweiser Beschalung. Durchmesser etwa 3,5 Zentimeter. Fotos und Sammlung A.E.R.
Abbildungen 10 und 11: Craspedites sp.; Oberjura; oberes Oberwolga. Fundort unbekannt. Gut erkennbar der deutlich gerundete Venter und die nach außen kräftiger werdende Berippung. Durchmesser etwa 3,5 Zentimeter. Fotos und Sammlung A.E.R.
Abbildungen 12 bis 14: Craspedites cf. okensis (ORBIGNY, 1845). Oberjura; Obertithon; Oberwolga (Nodiger-Zone). Unzha-Fluss, Makarjew, Oblast Kostroma (Zentral-Russland). Drei calcitische Phragmokone; Septen verkiest. Durchmesser 2 bis 4 Zentimeter. Sammlung und Fotos A.E.R. Garniericeras (Familie Craspeditidae, Unterfamilie Garniericeraditinae). Oberste Wolga-Sufe und unterste Kreide. Oxycone Gehäuse mit scharfem Venter, mitunter gekielt.
Abbildungen 15 und 16: Zwei Ammoniten der Art Garniericeras catenulatum (FISCHER DE WALDHEIM, 1830) aus dem mittleren Oberwolga (Subditus-Zone) des Naherholungs-Gebietes Fili Park an der Moskwa, westlich von Moskau. Fotos via Wikipedia.
Abbildungen 17 bis 19: Garniericeras cf. catenulatum (FISCHER DE WALDHEIM, 1830); zwei zusammen liegende Ammoniten auf Glaukonitsand-Matrix, aus dem mittleren Oberwolga (Subditus-Zone) des Naherholungs-Gebietes Fili Park an der Moskwa, westlich von Moskau. Lateral, starke Vergrößerung, Venter-Ansicht. Sammlung und Fotos A.E.R.
Abbildung 20: Auf den Münchner Mineralientagen im Oktober 2002 angebotene Craspediten und Garniericeraten aus Zentral-Russland. Die russischen Anbieter - Sammler - wollten damals 10 Euro für einen Ammoniten. Suchen Sie das heute mal... Foto A.E.R. Text, Sammlung und Fotois A.E.R., wenn nicht anders angegeben.
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